Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Voyeur

Titel: Voyeur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Beckett
Vom Netzwerk:
auf mich abgesehen haben könnte, wenig Beachtung geschenkt. Doch jetzt
     setzte sich der Gedanke in meinem Kopf fest. Zuerst war sie in der Galerie vorbeigekommen. Jetzt hatte sie mich angerufen.
     So verhielt man sich normalerweise nicht gegenüber einem Menschen, dem man in den Wagen gefahren war. Oder der, wie sie
     behauptete, einem in den Wagen gefahren war. Verwirrt schenkte ich mir einen Drink ein. Je länger ich darüber nachdachte,
     desto mehr kam es mir vor, als hätte Anna recht gehabt.
    Ich spürte plötzlich das dringende Bedürfnis, mit ihr zu sprechen. Sie ging beim zweiten Klingeln ans Telefon.
    «Hallo?» Sie klang gehetzt und erwartungsvoll.
    «Hier ist Donald. Ich wollte nur mal hören, ob Marty zurück ist.»
    Es war bedrückend, ihre Enttäuschung zu hören. «Ach, hallo, Donald. Nein, ist er nicht.»
    «Haben Sie etwas von ihm gehört?»
    «Nein. Nichts.»
    Jetzt, wo ich sie am Apparat hatte, wusste ich nicht, was ich sagen sollte. «Geht es Ihnen gut?»
    Sie versuchte ein Lachen. «Es würde mir bessergehen, wenn ich wüsste, wo Marty ist. Seit gestern hat ihn niemand gesehen.
     Ich weiß nicht, ob ich die Polizei anrufen soll oder   …» Sie holte tief Luft und schien sich nur schwer beherrschen zu können.
    |176| «Möchten Sie, dass ich vorbeikomme?»
    Ihre Stimme bebte leicht. «Nein, alles in Ordnung, danke. Eine Freundin von mir wird hier übernachten.»
    Nun war ich enttäuscht. «Gut, aber sagen Sie mir bitte Bescheid, wenn Sie etwas hören.»
    «Das mache ich. Äh, ich lege jetzt lieber auf, Donald. Ich will, dass die Leitung frei ist, falls er anruft.»
    «Ja, natürlich. Und Sie müssen morgen nicht in die Galerie kommen. Schauen Sie einfach, wie Sie sich fühlen.»
    «Okay. Danke.» Sie klang distanziert und desinteressiert. Es war klar, dass sie nicht mit mir sprechen wollte. Ich verabschiedete
     mich, und nachdem ich aufgelegt hatte, fühlte ich mich schlechter als vor dem Anruf. Dadurch war mir nur bewusstgeworden,
     dass mich Anna trotz allem lediglich als Arbeitgeber betrachtete und nicht als Freund oder Vertrauten. Ich versuchte, nicht
     entmutigt zu sein, und sagte mir, dass ich nichts anderes erwarten konnte. Offensichtlich gab es andere Menschen, an die
     sie sich wenden konnte, bevor sie zu mir kam. Dazu war es noch zu früh.
    Ich würde einfach Geduld haben müssen.
     
    *
     
    Als Anna am nächsten Tag in die Galerie kam, war es schon fast Mittag. Sie sah blass und müde aus. Ihre Augen waren rot und
     geschwollen.
    «Haben Sie etwas gehört?», fragte ich, anstatt auf ihre Entschuldigungen einzugehen.
    Sie schüttelte den Kopf. «Nicht von Marty. Die Polizei war gerade bei mir. Deswegen komme ich zu spät.»
    |177| «Die Polizei?» Ich war froh, dass ich hinter ihr stand und sie mein Gesicht nicht sehen konnte.
    «Ich habe Marty als vermisst gemeldet, deswegen sind ein paar Polizisten vorbeigekommen, um die Einzelheiten aufzunehmen.»
     Sie klang teilnahmslos.
    «Was haben sie gesagt?»
    «Eigentlich nicht viel. Aber eines habe ich herausgefunden.» Sie versuchte ein Lächeln. «Wo auch immer er ist, er hat einen
     Koffer mitgenommen.»
    «Einen Koffer?»
    «Ja, einer fehlt. Außerdem ein paar von seinen Sachen und sein Pass.»
    Ich machte eine entsetzte Miene. «Wann ist Ihnen das aufgefallen?»
    «Heute Morgen, als die Polizei in der Wohnung war. Ein Beamter hat gefragt, ob von seinen Sachen welche fehlen, und ich
     sagte, nein, denn ich dachte, es wäre alles noch da. Ich hatte seine Kleidung im Schrank gesehen, deshalb kam ich gar
     nicht auf die Idee, dass etwas fehlen könnte. Ich dachte, wenn er irgendwohin verschwunden wäre, hätte er es mir gesagt.
     Aber dann haben mich die Polizisten gefragt, ob sie sich in der Wohnung umschauen dürfen, und als ich mit ihnen herumgegangen
     bin, habe ich bemerkt, dass ein Koffer weg ist. Daraufhin habe ich nochmal im Schrank nachgesehen und festgestellt, dass
     auch ein paar von seinen Kleidungsstücken weg sind. Dann hat mich einer der Polizisten gefragt, ob ich wüsste, wo sein Pass
     ist, und als ich ihn gesucht habe, konnte ich ihn nicht finden.» Sie schaute mich nicht an, während sie sprach.
    «Fehlt sonst noch etwas?»
    |178| «Sein Scheckbuch ist auch weg. Aber die meisten seiner Sachen sind noch da. Von mir fehlt nichts, wenn Sie das meinen. Die
     Polizei hat mich alles überprüfen lassen.»
    «Anna   … ich weiß nicht, was ich sagen soll.»
    «Da kann man auch nicht viel sagen, oder?»
    «Haben Sie

Weitere Kostenlose Bücher