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Voyeur

Titel: Voyeur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Beckett
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Anna schrie fast. «Er ist Ihr Sohn, um Gottes willen! Wie können Sie
     nur so verdammt gefühllos sein? Marty wird vermisst, und Sie wollen seine Arbeit verbrennen? Was für ein Vater sind Sie bloß?»
    «Ein Vater, der den Atlantik überquert, um das Chaos zu beseitigen, das sein Sohn angerichtet hat, als er davongelaufen
     ist.»
    «Davongelaufen?» Anna schien kurz davor zu sein, auf ihn loszugehen. «Marty wird
vermisst
, können Sie das nicht verstehen? Er ist kein verzogener kleiner Junge, der sich im Kleiderschrank versteckt! Er ist verschwunden!
     Niemand weiß, wo er ist und was ihm zugestoßen ist, und Sie benehmen sich, als wollte er Ihnen eins auswischen!»
    Ich hatte Anna noch nie so wütend gesehen. Und ich hätte nie gedacht, dass sie es werden konnte. Westerman dagegen wirkte
     völlig ruhig. «Ich weiß zwar nicht, wo er jetzt steckt, aber der Grund für sein Verschwinden liegt doch auf der Hand.»
    «Jetzt machen Sie aber mal   …», begann ich, doch Anna hatte mich wohl nicht gehört.
    «Was wollen Sie damit sagen?», rief sie.
    |236| «Damit will ich sagen, dass wir uns meiner Meinung nach nur in diesem Raum umschauen müssen.»
    «Sie meinen, er ist wegen mir verschwunden?»
    «Ich sehe keinen anderen Grund. Und nach der Vorstellung eben erscheint mir der mehr als ausreichend.»
    Anna starrte ihn an. Als sie sprach, klang ihre Stimme vor lauter Aufregung heiser. «Wie können Sie es wagen! Wie können
     Sie es wagen! Was gibt Ihnen das Recht, hierherzukommen und so etwas zu sagen? Für wen halten Sie sich eigentlich, verdammt?»
    «Ich bin sein Vater   …»
    «Warum verhalten Sie sich dann nicht endlich so?», blaffte sie ihn an. «Zeigen Sie zur Abwechslung mal ein bisschen Mitgefühl!
     Sie benehmen sich, als würde es Sie überhaupt nicht interessieren, was mit ihm passiert ist! Sie denken nur an die ‹Unannehmlichkeiten›,
     die er verursacht hat, und daran, so schnell wie möglich zu Ihrer   … Ihrer dämlichen kleinen Firma zurückzukommen! Und Sie wagen es, dort zu stehen und mir zu sagen, es wäre mein Fehler,
     dass Marty verschwunden ist? Mein Gott, was wissen Sie denn? Sie sind einer der Gründe, warum er überhaupt nach England
     gekommen ist. Wenn jemand Marty vertrieben hat, dann Sie, und zwar schon vor Jahren!»
    Danach war es totenstill. Die Gegend um Westermans Nase war kreideweiß geworden. «Ich werde draußen auf das Taxi warten.»
    Anna zitterte. Ihr Gesicht war nicht mehr rot, sondern bleich. «Entschuldigen Sie. Das hätte ich nicht sagen dürfen.»
    «Wenn Sie so nett wären, mir meinen Mantel zu holen.»
    Ohne ein weiteres Wort ging Anna hinaus. Westerman |237| und ich standen da, ohne uns anzuschauen. Anna kam zurück und reichte ihm den Mantel.
    «Danke. Ich finde allein hinaus.»
    Ich dachte, Anna würde noch etwas sagen wollen, aber sie blieb still. Wir hörten, wie die Wohnungstür auf- und wieder zuging.
    «Oh, Scheiße!», sagte Anna. Sie sah aus, als würde sie gleich in Tränen ausbrechen. «Entschuldigen Sie mich.» Sie rannte
     beinahe aus dem Wohnzimmer. Ich hörte, wie sie sich im Bad einschloss.
    Nach einer Weile schenkte ich mir einen Brandy ein und nahm Platz.
    Es dauerte einige Zeit, ehe sie zurückkam. Sie hatte sich abgeschminkt, ihre Augen sahen rot aus. Sie setzte sich hin und
     schenkte mir ein mattes Lächeln.
    «Tja, das war wirklich ein umwerfender Erfolg, was?»
    Ich stand auf, um ihr einen Drink zu holen. «Das war nun wirklich nicht Ihre Schuld. Dieser Mann ist einer der widerwärtigsten
     Menschen, die mir jemals begegnet sind.»
    Sie biss sich verärgert auf die Lippe. «Aber ich hätte das nicht sagen dürfen. Das über Marty.»
    «Ich sehe keinen Grund, warum Sie deshalb ein schlechtes Gewissen haben sollten. Der Mann hat sich kein bisschen für Ihre
     Gefühle interessiert.»
    «Ich weiß, aber   … ich hätte es einfach nicht sagen sollen. Das Verhältnis zwischen ihm und Marty ist schon schlecht genug, da muss ich es
     nicht noch schlimmer machen.»
    «Ich finde trotzdem, dass er es heraufbeschworen hat. Er war derjenige, der ungerecht war. Sie haben sich nur verteidigt.»
    |238| Sie antwortete nicht, legte den Kopf an die Stuhllehne und sah müde aus. «Ich rufe morgen lieber gleich in der Uni an. Ich
     möchte nicht, dass sie etwas wegwerfen.»
    «Das werden sie bestimmt nicht tun. Jedenfalls nicht nur auf Westermans Gerede hin. Ich könnte mir vorstellen, dass jeder,
     mit dem er gesprochen hat, selbst gemerkt hat, was

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