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Voyeur

Titel: Voyeur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Beckett
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können, ist Miss Palmer
     ziemlich beunruhigt.»
    «Einen Moment.» Die Sprechmuschel wurde abgedeckt, gedämpfte Geräusche waren zu hören. Ich wartete. «Ja, entschuldigen Sie»,
     sagte er nach einer Weile. «Fahren Sie fort.»
    Ich hatte etwas den Faden verloren. «Wie gesagt, Miss Palmer ist deswegen ziemlich beunruhigt, weil sie glaubt, dass es
     bedeuten könnte   …» Ich hatte mich verhaspelt. «Also, sie befürchtet, es könnte bedeuten, dass ihm etwas zugestoßen ist.»
    «Das hat sie uns doch bereits gesagt, oder?» Er sprach langsam und bedächtig. Und seine Stimme hatte einen ironischen, beinahe
     spöttischen Unterton.
    «Sie hat heute Morgen angerufen. Aber ich glaube, sie hat nicht mit Ihnen gesprochen.»
    «Und wie kann ich Ihnen helfen?» Er hätte auch fragen können: «Und was wollen Sie jetzt von mir?»
    «Also, im Grunde würde ich gern wissen, wie Sie mit dieser Information umzugehen gedenken.»
    «Wurde Miss Palmer die Situation nicht erklärt?»
    Ich wollte mich von ihm nicht einschüchtern lassen. «Soweit ich von ihr gehört habe, war die Person, mit der sie gesprochen
     hat, nicht besonders hilfsbereit. Sie ist natürlich sehr besorgt und möchte die Gewissheit haben, dass alles getan wird,
     um ihren Freund zu finden.»
    |268| «Davon können Sie ausgehen. Ich dachte, das hätten wir ihr gegenüber bereits klargestellt. Und zwar mehrmals.»
    Ich war so empört, dass ich mich fast vergaß. «Hätten Sie dann vielleicht die Güte, mir zu sagen, was Sie nun vorhaben?
     Er wird seit einer Ewigkeit vermisst, und jetzt kommt heraus, dass er offenbar kein Geld hat!»
    «In welcher Beziehung stehen Sie eigentlich zu Mr.   Westerman oder seiner Freundin?»
    «Ich bin Miss Palmers Arbeitgeber. Ein Freund. Von beiden», fügte ich matt hinzu.
    «Aber Sie sind kein Verwandter?»
    «Nein.»
    Ich hörte ihn seufzen und konnte beinahe seinen Tabakatem riechen. «Mr.   Ramsey, lassen Sie mich unsere Position erklären. Wir erhalten jeden Tag Dutzende Anrufe von Leuten, die jemanden vermissen.
     Manche Fälle sind dringender als andere. Gerade heute Morgen habe ich zum Beispiel mit einer Mutter gesprochen, deren fünfjährige
     Tochter seit sechsunddreißig Stunden verschwunden ist. Die Kleine ist Diabetikerin. Ihre Mutter hat sie erst jetzt als vermisst
     gemeldet, weil sie die ganze Zeit nicht zu Hause war und dachte, ihre Tochter wäre ‹bei Freunden›. Wir haben es also mit
     einem fünfjährigen Mädchen zu tun, das Gott weiß wo steckt, dringend seine Medizin braucht und das bereits seit über anderthalb
     Tagen von niemandem gesehen wurde. So etwas macht uns Sorgen. Und nicht ein Erwachsener, der mit einem gepackten Koffer,
     Scheckbuch und Pass von zu Hause verschwindet. Für seine Freundin ist es vielleicht sehr schwierig, aber wir werden deshalb
     nicht die Alarmsirenen anschalten. Erst recht dann nicht, wenn uns der Vater dieser |269| Person erzählt, dass er überzeugt davon ist, dass sein Sohn aus eigenem Antrieb und aus
persönlichen
Gründen verschwunden ist.»
    Er hielt inne. «Jetzt erfahren wir, dass diese Person ihr Bankkonto nicht angerührt hat, seit sie verschwunden ist. Gut,
     das ist womöglich ein Grund zur Sorge, vielleicht aber auch nicht. Es kann verschiedene Erklärungen dafür geben. Zum Beispiel
     könnte der Vermisste bei jemandem untergekommen sein, der ihn aushält. Er könnte einen Job gefunden haben und sein altes
     Konto nicht benutzen wollen, weil er befürchtet, von seiner Freundin aufgespürt zu werden, deretwegen er weggegangen ist.
     Er könnte sein Gedächtnis verloren haben und umherirren und nicht einmal mehr wissen, wozu ein Scheckbuch da ist. Oder er
     könnte einem Unfall, einem Raubüberfall oder sogar einem eifersüchtigen Freund zum Opfer gefallen sein und irgendwo tot herumliegen.
    Sie sehen also, es kann eine ganze Reihe von Gründen geben. Und um ganz ehrlich zu sein, es ist völlig egal. Das hat nichts
     mit Kaltherzigkeit zu tun. Es ist lediglich die simple Wahrheit. Wir haben bereits alles getan, was wir vernünftigerweise
     tun können. Wenn in irgendeinem Krankenhaus, einem Bahnhof oder wo auch immer jemand auftaucht, auf den seine Beschreibung
     zutrifft, ob lebendig oder bedauerlicherweise nicht, werden wir innerhalb weniger Stunden davon erfahren. Wenn er das Land
     verlassen will, werden wir es beinahe augenblicklich wissen. Mir wurde gesagt, dass sein Visum noch mehrere Monate gültig
     ist, er hat also jedes Recht, sich hier

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