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Voyeur

Titel: Voyeur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Beckett
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mehr, als sich mit Abartigen abzugeben! Ich habe mich bemüht, alles zu akzeptieren, was er in der Vergangenheit
     angestellt hat, aber das   …!» Er schüttelte in stummem Zorn den Kopf.
    «Was hat er denn in der Vergangenheit
angestellt
?», wollte Anna wissen. «Meinen Sie, Anthropologie zu studieren, anstatt Kloschüsseln zu verkaufen? Oder nach England zu
     gehen, anstatt an einer amerikanischen Provinzuni zu versauern? Wie können Sie bloß so verdammt engstirnig sein? Marty ist
     Ihr Sohn, um Gottes willen! Sie können ihn nicht einfach aufgeben! Er ist Ihr
Sohn
!» Sie wiederholte die Tatsache, als hätte Westerman sie übersehen. Er schüttelte gereizt den Kopf.
    «Nicht mehr.» Er schien gehen zu wollen. Anna stellte sich ihm in den Weg.
    «Sie können nicht einfach gehen! Wenn Sie jetzt nach Hause verschwinden, wird die Polizei vielleicht auch aufgeben.»
    |259| Westerman zuckte mit den Achseln. «Schon möglich. Und ich beabsichtige, die Polizei und die Botschaft über die Gründe meiner
     Abreise zu unterrichten.»
    «Weshalb?», schrie Anna. «Können Sie die Leute nicht wenigstens zu ihren eigenen Schlüssen kommen lassen?»
    «Das werden sie bestimmt. Aber wenn Marty Schande über sich bringen will, möchte ich ausdrücklich klarstellen, wie ich dazu
     stehe.»
    «
Schande
über sich bringen?», begann Anna, doch Westerman ging bereits zur Tür. Ich hatte das Gefühl, etwas sagen zu müssen.
    «Sie benehmen sich meiner Meinung nach wirklich völlig unvernünftig.»
    Er schaute mich nicht einmal an. «Das geht Sie nichts an. Ich habe nicht die Absicht, mein Verhalten mit einem alternden
     Kunstheini zu besprechen.»
    Ich rang noch nach Worten, als er an mir vorbei in die Küche ging. Anna folgte ihm.
    «Ich würde gern sagen, dass es mir eine Freude war, Sie kennenzulernen», sagte sie. «Aber dafür müsste ich lügen, und
     ein Heuchler im Raum ist genug.» Sie machte die Wohnungstür auf und starrte ihn kalt an. «Leben Sie wohl, Mr.   Westerman.»
    Westerman zögerte und schien noch etwas sagen zu wollen. Doch dann drehte er sich um und verschwand ohne ein weiteres Wort.
    Anna schloss die Tür etwas lauter als sonst. Sie kam zurück ins Wohnzimmer. Keiner von uns sprach. Sie stand neben dem Tisch
     und starrte ins Leere. Ich merkte, dass ich zitterte.
    «Dieser   … diese unerträgliche   …
Person
!» Es war eine |260| erbärmlich unpassende Reaktion, aber die Wut und die Demütigung hatten mich jedes besseren Vokabulars beraubt. Ich vermied
     es, Anna anzusehen.
    Sie sagte nichts. Angesichts ihres Schweigens begann ich mich allmählich unbehaglich zu fühlen. Ich riskierte einen Blick.
     Ihre Augen glänzten vor Tränen, aber sie hielt sich vollkommen ruhig. Ich überlegte, was ich sagen könnte, aber wieder
     fiel mir nichts ein.
    «Dieses Arschloch!» Die Worte kamen ohne Vorwarnung. Ihr Gesicht zuckte, als würde sie gleich weinen, vor allem aus Wut,
     aber sie kämpfte dagegen an. «Dieses kaltherzige, beschissene Arschloch!»
    Ihre Wortwahl entsetzte mich. Als sie merkte, dass ich sie anstarrte, schüttelte sie schnell den Kopf. «Entschuldigen Sie,
     Donald, aber   … Mein Gott, wie kann er nur? Sein eigener
Sohn
! Macht er sich überhaupt keine Sorgen?»
    «Anscheinend nicht.»
    «Wie kann er nur so   … so
scheinheilig
sein? Er ist so verflucht selbstgerecht! Merkt er gar nicht, wie er wirkt? Und wie er mich beleidigt hat? Das kann man nicht
     entschuldigen. Und dann tut er noch so, als hätten
wir
etwas Falsches getan.»
    Ich hatte immer noch das Bedürfnis, etwas zu sagen, um mein Selbstwertgefühl wiederherzustellen. «Der Mann ist eindeutig
     gestört. Ich bin mir nicht sicher, wen er mehr hasst, Engländer an sich oder Homosexuelle.»
    Anna war nicht anzumerken, ob sie mich gehört hatte. «Warum muss er seine Abreise unbedingt an die große Glocke hängen? Wenn
     es ihn so niederschmettert, warum geht er dann nicht einfach? Warum legt er so viel Wert darauf, |261| der Polizei seine Gründe zu erklären? Es war sowieso schon schwer genug, sie davon zu überzeugen, Martys Verschwinden ernst
     zu nehmen. Wenn sie glauben, sein eigener Vater ist der Meinung, er wäre abgehauen, weil er schwul ist, werden sie sich
     überhaupt nicht mehr bemühen.»
    «Ich würde mir keine Sorgen darüber machen, dass er die Polizei beeinflusst. Ich bin mir sicher, dass die Beamten ganz genau
     merken, was für ein Typ Martys Vater ist.» Ich war mir dessen keinesfalls sicher. Aber dadurch

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