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Voyeur

Titel: Voyeur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Beckett
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mir den Kopf nach einer Alternative, aber ich war zu
     festgelegt in meinen Gewohnheiten, um auf etwas Neues zu kommen.
    Schließlich fiel mir nichts Besseres ein, als zum St.   James’s |276| Park zu fahren. Es war eine Ewigkeit her, dass ich mich auch nur in die Nähe einer der Grünflächen Londons gewagt hatte,
     und als ich die mit Bäumen gesäumte Promenade entlangschlenderte, rügte ich mich dafür. Es war mitten in der Woche, und
     obwohl es ein sonniger Tag war, war es angenehm ruhig im Park. Die meisten Liegestühle auf den Rasenflächen waren unbesetzt,
     und für eine Weile war ich beinahe versucht, mich auf einem auszustrecken.
    Doch irgendwie erschien es mir unschicklich, sich an einem solch öffentlichen Ort derart freizügig hinzuflegeln. Stattdessen
     fand ich eine leere Bank im Schatten des dichten Laubes einer Kastanie, von wo ich hinaus auf den See blicken konnte. Ich
     beobachtete die sich kabbelnden Enten und Wasservögel und versuchte, die Anspannungen des Morgens von mir abfallen zu lassen.
     Es war noch zu früh, um sich nach Annas Wohl zu erkundigen, und es war besser, einen klaren Kopf zu bekommen, als darüber
     nachzugrübeln.
    Das war mir zumindest teilweise gelungen, bis sich jemand ans andere Ende der Bank setzte. Ich warf dem Mann einen ärgerlichen
     Blick zu. Es gab genügend freie Bänke in der Nähe, und ich verstand nicht, warum er sich ausgerechnet zu mir setzen musste.
     Andererseits befand ich mich in einem öffentlichen Park. Die Nähe zu anderen Menschen war hier wohl nicht zu vermeiden.
    Ich beließ es bei einem gereizten Seufzen und wandte mich wieder dem See zu. Ich hatte den Mann schon fast vergessen, als
     er plötzlich zu sprechen begann.
    «Schöner Tag, nicht wahr?»
    Ich schaute mich um, unsicher, ob er mit mir sprach. Er war mittleren Alters, hatte dünnes rotblondes Haar und verwirrend |277| feuchte Lippen. «Ja, sehr schön.» Ich hatte keine Lust auf ein Gespräch und hoffte, dass er nicht hartnäckig war.
    «Ich komme gerne hierher», fuhr er jedoch unbeirrt fort. «Wunderbare Atmosphäre, oder?» Ich nickte nur. «Aber ich habe Sie
     hier noch nie gesehen. Kommen Sie häufig her?»
    «Nein. Ich bin seit Jahren zum ersten Mal hier.»
    Er strahlte, als würde das etwas bestätigen. «Aha. Ich komme ständig her. Ich liebe es, die Vögel zu beobachten. Wie sie
     frei und natürlich ihr Leben leben. Ich habe es immer gerne, wenn die Dinge sich frei entfalten können. Aber das ist nicht
     immer möglich, nicht wahr?»
    Er wartete auf eine Antwort. «Nein, wahrscheinlich nicht.»
    Er schien erfreut zu sein und drehte sich leicht zu mir um.
    «Dann wissen Sie, was ich meine?»
    Die Frage kam mir komisch vor. «Ja, ich glaube schon.»
    «Ach, gut. Sehr gut.» Plötzlich wirkte er gehemmt. Er schaute auf seine Uhr. Mit gespielter Lässigkeit sagte er dann: «Hätten
     Sie Lust, auf einen Drink mit zu mir nach Hause zu kommen?»
    Es dauerte eine Weile, ehe mir klarwurde, dass er mir ein unsittliches Angebot machte. Ich spürte, wie mein Gesicht sofort
     Farbe bekam. «Nein. Vielen Dank.»
    «Es ist nicht weit.»
    «Nein, wirklich nicht. Ich muss gehen.»
    Ich stand schnell auf und wäre fast über einen Mülleimer neben der Bank gefallen. Nachdem ich mein Gleichgewicht wiedererlangt
     hatte, eilte ich davon. Mein Gesicht glühte so sehr, dass es jeder bemerkt haben musste.
    |278| Ich verließ den Park, ohne mich umzuschauen.
    Selbst danach konnte ich mich noch nicht überwinden, wieder in die Galerie zu fahren. Ich aß in einem meiner französischen
     Lieblingsrestaurants in Mayfair zu Abend und kam um kurz nach acht Uhr nach Hause. Ausnahmsweise erschien der Gedanke, einen
     Abend zu Hause zu verbringen, gar nicht so bedrückend.
    Ich machte mir einen Drink und rief bei Anna an. Debbie nahm ab. «Sie ist im Bett», sagte sie, nachdem ich gefragt hatte,
     wie es Anna gehe. «Kurz nachdem Sie weg waren, musste ich einen Arzt rufen. Ich wusste nicht mehr, was ich mit ihr machen
     sollte. Ich meine, ich habe sie schon traurig erlebt, aber so schlimm war es noch nie. Es war beängstigend.»
    Insgeheim freute es mich, dass auch sie Hilfe hatte holen müssen. «Geht es ihr jetzt besser?»
    «Na ja, der Arzt hat ihr ein Beruhigungsmittel gegeben, das hat sie ein bisschen runtergeholt. Sie schläft jetzt, Gott
     sei Dank. Das ist wahrscheinlich das Beste für sie. Ich werde heute Nacht hierbleiben. Ich glaube, es wäre keine gute Idee,
     sie allein zu lassen. Also, ich meine

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