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Voyeur

Titel: Voyeur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Beckett
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davon.
    «Wahrscheinlich werden sie den Fall nicht gleich schließen und noch irgendwo eine Akte darüber führen oder so», sagte sie.
     «Aber ich glaube nicht, dass sie sich besonders bemühen werden. Für sie ist Marty jetzt bestimmt nur ein weiterer Schwuler,
     der sein Outing hatte und seine Freundin verlassen hat.»
    Ich gab ein paar beschwichtigende Phrasen von mir, aber sie hatte natürlich recht. Die Suche, die bereits halbherzig angelaufen
     war, würde jetzt mit ziemlicher Sicherheit noch oberflächlicher werden.
     
    *
     
    Erneut trat ein gewisser Stillstand ein. Ich weiß nicht, ob die Polizei überhaupt etwas tat, jedenfalls kam nichts dabei
     heraus. Dann, eine Woche nach Westermans Abreise, kam Anna wieder zu spät zur Arbeit. Mittlerweile war das für mich zu einem
     untrüglichen Zeichen dafür geworden, dass etwas geschehen war, und schon nagten wieder dunkle Befürchtungen an meiner Zuversicht.
     Und als ich ihr Gesicht sah, loderten sie auf.
    «Ist alles in Ordnung?», fragte ich.
    Sie schaute mich nicht an. «Heute sind Martys Kontoauszüge gekommen.» Sie wollte weiterreden, hielt dann aber |265| inne, als würden ihr die Worte wehtun. «Seit er verschwunden ist, wurde nichts abgehoben.»
    Sie stand reglos da und ließ den Kopf leicht hängen, ohne den Mantel auszuziehen oder die Handtasche abzulegen. Sie schien
     nicht zu wissen, was sie mit sich machen sollte.
    Ich überlegte, welche Worte jetzt die richtigen waren. «Hat er noch ein anderes Konto?»
    Sie schüttelte den Kopf.
    «Vielleicht hat er genug Geld abgehoben, um eine Weile damit auszukommen.»
    Anna schaute mich immer noch nicht an. Ich hatte den Eindruck, dass sie diese Punkte bereits berücksichtigt hatte. «Als Letztes
     wurden hundert Pfund abgehoben. Die müssten jetzt längst weg sein.»
    Ich wünschte, ich hätte das Scheckbuch und die Kreditkarten aufgehoben. Zeppo hätte sie in Supermärkten oder an anderen anonymen
     und belebten Orten benutzen können, um den Eindruck zu erwecken, dass Marty noch am Leben war. Aber dafür war es jetzt zu
     spät. Außerdem wäre es ein weiteres Risiko gewesen.
    «Haben Sie das der Polizei erzählt?»
    «Ich habe dort angerufen, bevor ich hergekommen bin. Sie sagten das Gleiche wie Sie, dass er vielleicht ein anderes Konto
     hat. Als ich sagte, dass ich mir da ganz sicher wäre, meinten sie nur, dass er vielleicht eines hat, von dem ich nichts
     weiß. Aber ich
weiß
, dass er keins hat. Sein ganzes Geld ist auf dem einen Konto.»
    «Haben Sie ihnen das gesagt?»
    Sie nickte. «Sie meinten, dass er mittlerweile einen Job haben könnte. Und wenn er nicht wollte, dass jemand weiß, |266| wo er ist, würde er es sowieso nicht riskieren, etwas von seinem alten Konto abzuheben.» Sie wirkte in sich versunken und
     hilflos. «Anscheinend glauben sie nicht, dass man sich deswegen Sorgen machen müsste.»
    «Sie wollten Sie wahrscheinlich nur beruhigen.»
    Sie sah mich traurig an. «Ich will nicht beruhigt werden. Ich bin nicht blöd. Ich möchte nur wissen, dass ihn abgesehen von
     mir jemand finden will.»
    Mir war klar, was sie von mir wollte, aber ich scheute mich davor. Ich dachte, ich wäre mittlerweile vor solchen Verpflichtungen
     sicher. Dann schaute ich in ihr Gesicht und wusste, dass es sich nicht vermeiden ließ.
    «Wollen Sie, dass ich mit der Polizei rede?», fragte ich. «Ich weiß nicht, ob es etwas bringt, aber wenn Sie wollen,
     versuche ich es.»
    Ihre Miene hellte sich sofort auf. «Würden Sie das tun? Nach allem, was Martys Vater den Polizisten erzählt hat, scheinen
     sie mir keine Beachtung mehr zu schenken. Aber vielleicht hören sie auf Sie.»
    Es gab keinen Grund, warum sie das tun sollten, aber ich lächelte. «Ich kann es ja mal versuchen, oder?»
    Anna wartete unten, während ich vom Büro aus anrief. Ich fragte nach dem Detective Inspector, der in der Galerie gewesen
     war. In der Leitung klickte es ein paarmal, dann war ich mit ihm verbunden.
    «Inspector Lindsey.»
    «Mein Name ist Donald Ramsey. Sie sind letzte Woche in meiner Galerie gewesen, um mit meiner Assistentin, Anna Palmer,
     über ihren vermissten Freund zu sprechen. Marty Westerman, ein Amerikaner.»
    |267| «Und?» Er wartete, dass ich zur Sache kam. Ich sprach hastig weiter.
    «Sie hat heute Morgen die Kontoauszüge ihres Freundes erhalten, und daraus geht hervor, dass die letzte Abhebung mehrere
     Tage vor seinem Verschwinden erfolgte. Seitdem wurde nichts mehr abgehoben. Wie Sie sich vorstellen

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