Voyeur
Donnerstagabend?»
«Donnerstagabend?» Die Frage versetzte meiner Selbstzufriedenheit einen Stich.
|291| «Ja. Falls Sie da nichts vorhaben. Ich werde bei meiner Tochter übernachten, und die Freundinnen, die ich normalerweise
treffe, sind beide im Urlaub. Wenn Sie nicht beschäftigt sind, könnten wir uns also am Abend treffen.» Sie lachte wieder.
«Dann muss sich meine Tochter nicht den Kopf darüber zerbrechen, was sie mit ihrer Mama anstellen soll.»
Ich suchte verzweifelt nach einer Ausrede. Aber die plötzliche Abweichung von meinen Erwartungen war zu heftig: Ich konnte
mich nicht mehr auf die neue Situation einstellen. «Mr. Ramsey, sind Sie noch da?»
«Jaja. Entschuldigen Sie, ich war nur … Ich dachte, es wäre jemand hereingekommen.» Ich wartete auf eine Eingebung. Es kam keine. Mein Kopf war leer. «Ja, Donnerstagabend
ist in Ordnung», hörte ich mich sagen.
«Ach, schön. Wann passt es Ihnen denn?»
«Jederzeit.» Benommen ließ ich sie eine Zeit und einen angemessenen Treffpunkt ausmachen. Nachdem sie fertig war, legte ich
den Hörer auf. Statt erleichtert zu sein, wie ich gehofft hatte, hatte ich das dumpfe Gefühl, in eine Falle getappt zu
sein. Ich ging zurück zu der Assistentin. Sie hatte meine Anweisung wortwörtlich befolgt und absolut nichts getan. Jetzt schaute
sie mich an und wartete stumm auf neue.
«Machen Sie Mittagspause», sagte ich.
Der bevorstehende Donnerstagabend warf eine düstere Wolke über die Tage davor. Jedes Mal, wenn ich versuchte, ihr rational
zu Leibe zu rücken, musste ich daran denken, was Anna gesagt hatte, und sofort wurde sie noch dunkler. Ich konnte mir weder
ein harmloses Motiv für die Beharrlichkeit der Frau vorstellen, noch fiel mir eine Möglichkeit ein, ihr zu |292| entgehen. So schrecklich die Aussicht auf einen Abend mit ihr auch war, ich brachte es nicht fertig, ihr eine Ausrede zu
präsentieren.
Am Donnerstagmorgen erwachte ich mit einem bleiernen Gefühl der Beklemmung. Es lastete schwer auf mir, als ich in die Galerie
fuhr und versuchte, den Rest des Tages durchzustehen. An seinem Ende lauerte die Tortur wie ein unüberwindliches Hindernis.
Dahinter schien nichts mehr zu kommen. Meine gesamte Zukunft war auf diesen einen Abend reduziert.
Anna war weit, weit weg.
Die Stunden vergingen schnell. Ich schloss die Galerie, duschte, zog mich um und versuchte mir zu sagen, dass es wenigstens
schnell vorbei sein würde. Diese Thornby hatte ein Restaurant vorgeschlagen, in dem es eine kleine Bar gab. Ich war frühzeitig
dort. Selbstredend nicht aus Ungeduld, sondern weil ich einen Drink brauchte, bevor ich ihr gegenübertrat. Ich bestellte
einen Gin Tonic, nahm Platz und schaute mich um. Mit Erleichterung stellte ich fest, dass das Restaurant keine besonders
intime Atmosphäre hatte. Ich schaute auf meine Uhr. Mir blieben noch fast zwanzig Minuten bis zum verabredeten Termin. Ausreichend
Zeit für einen weiteren Drink, wenn ich wollte. So entspannt wie den ganzen Tag noch nicht, trank ich den ersten Schluck
und sah über dem Rand des Glases, wie die Tür aufging und Margaret Thornby hereinkam.
Mein Magen zog sich zusammen. Die Freude an dem Drink war sofort verflogen. Dessen ungeachtet kippte ich die Hälfte herunter,
bevor sie mich entdeckte. Dann hatte sie mich gesehen.
|293| Sie lächelte und kam zu mir. Ich zwang mich ebenfalls zu einem Lächeln. Ein Kellner fing sie ab und erkundigte sich höflich
nach ihrem Begehr, woraufhin sie etwas murmelte und in meine Richtung zeigte. Ich stand auf, als sie sich dem Tisch näherte.
«Entschuldigen Sie die Verspätung», sagte sie und setzte sich. «Warten Sie schon lange?»
«Nein, ich bin gerade erst gekommen.» Ich fragte mich, wovon sie redete. Sie war mehr als eine Viertelstunde zu früh.
«Ach, dann ist es ja gut. Ehrlich gesagt, habe ich vergessen, ob wir sieben oder halb acht ausgemacht hatten. Ich habe
Sie vor einer Weile angerufen, aber da Sie offenbar schon unterwegs waren, dachte ich: ‹O Gott, wir müssen sieben abgemacht
haben›, und bin wie eine Verrückte losgestürmt, um rechtzeitig hier zu sein.» Sie schaute auf ihre Uhr. «Ich bin nur sieben
Minuten zu spät, das geht ja noch, oder?»
Ich ersparte mir die Mühe, ihren Fehler zu korrigieren. «Sie hätten sich nicht beeilen müssen.»
«Aber ich lasse die Leute nicht gern warten.» Sie lachte. «Wie Sie sich wahrscheinlich erinnern können.» Ich lächelte, obwohl
ich erneut
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