Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
VT01 - Eine Wunde in der Erde

VT01 - Eine Wunde in der Erde

Titel: VT01 - Eine Wunde in der Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael M. Thurner
Vom Netzwerk:
wühlen. Er kümmerte sich nicht weiter um die Dinge, die rings um ihn geschahen.
    Und nun Xhusa. Langsam, fast behäbig gehorchte er der Freigabe der Zügel und rückte nach vorne. Er tauchte spielerisch in den Boden ein, zog eine lange Furche durch den frischen Erdboden, seinen Artgenossen hinterher.
    »Gut so, mein Kleiner!« Kinga ließ das Tier frei, vertraute darauf, dass es seine Grenzen selbst am besten kannte.
    Dreißig Meter vor ihm wühlte der erste Maelwoorm, gleich dahinter der zweite. Das Gewicht der langen Zügel lastete schwer auf Kingas Armen, so wie immer. Doch Xhusa, der bei der Morgenarbeit noch jeglichen Enthusiasmus hatte vermissen lassen, zeigte sich nunmehr von seiner besten Seite. Er scheuchte seine Artgenossen vor sich her, übertrug Kingas Befehle über behutsame Körperstupser an seine Artgenossen.
    Unter den Aahs und Oohs des Gefolges der Prinzessin ließ der junge Krieger Tempo machen, auf die mehr als dreihundert Meter entfernte Steinmauer zu. In Sekundenschnelle war der Wendepunkt erreicht. Ein einziger kurzer Zupfer am Kreuzzügel, und die Maelwoorms wechselten die Richtung.
    Angetrieben von Xhusa, warfen sie sich in eine der engsten Wenden, die Kinga jemals zustande gebracht hatte, zogen eine weitere tiefe Furche durch den Erdboden in die Gegenrichtung.
    Wind fuhr ihm durchs Haar. Ab und zu klatschte Xhusas Mundschaum gegen seinen Kopf.
    Der Ritt auf dem mächtigen, so folgsamen Tier hatte berauschende Wirkung. Kinga gab die Zügel vollends frei, ließ dem Drittwoorm die Führung über das gesamte Gespann. Er hob die Arme, klatschte laut, schrie seine Freude über den geglückten Ritt laut hinaus. Es gab nichts Schöneres, als ein Woormreiter zu sein!
    ***
    »Was du uns heute geboten hast, war in der Tat faszinierend«, sagte die Prinzessin, als sie Kinga in seiner kleinen Sattelkammer besuchen kam. Die goldene Nasenklammer, mit Diamantsplittern verziert, reichte ihr weit bis zur Augenwurzel hinauf.
    »Es freut mich, dass ich Euer Interesse an meiner Arbeit wecken konnte«, sagte Kinga förmlich. Hastig wusch er die verschwitzten und verdreckten Hände in einem tönernen Behälter sauber.
    »Ich möchte dich nach dem Abendessen in meiner Hütte sehen«, fuhr sie ungeniert fort. »Ich will, dass du mir mehr von diesen riesigen Bestien erzählst.«
    Bestien!
    Beinahe hätte er die Kontrolle verloren, hätte dem aufgeblähten Weib ordentlich die Meinung gesagt. Gerade noch rechtzeitig erinnerte er sich daran, wem er gegenüber stand.
    »Ich komme gerne, Mademoiselle.« Er zog sich rückwärtsgehend in den hinteren Bereich der Sattelkammer zurück, während sich Lourdes mit trippelnden Schritten entfernte.
    Sie hielt die Maelwoorms für Bestien! Tiere, deren Gelehrigkeit weit über allem stand, das Kinga jemals kennen gelernt hatte, und deren Arbeitskraft für die Kilmalier von unersetzbarem Nutzen war.
    Nachdem die Prinzessin den Raum verlassen hatte, wandte er sich der Nachrüstung zu, arbeitete sich den Zorn von der Seele – und vergaß darüber vollends, welch schwere Aufgabe ihn heute Nacht in Lourdes’ Gemach erwartete.
    ***
    »Auf ein Wort, Herr Lomboko!«
    Der Raffzahn fuhr herum und blickte sich im kleinen Vorraum jener Hütte um, die man ihm für die Dauer seiner Arbeit zur Verfügung gestellt hatte. Eine unscheinbare dürre Gestalt wartete in der Eingangstüre.
    »Ich wünsche keine Störung!«, sagte er unwirsch. »Wenn du ein Anliegen hast, trag es deiner Dorfobersten vor. Sie wird entscheiden, ob es wert ist, mir mitgeteilt zu werden.«
    »Es gibt Dinge, die nicht für jedermanns Ohr bestimmt sind«, flüsterte das schmale, sehnige Männlein. Es blickte sich unsicher um, als wollte es sicher gehen, vom Dorfplatz aus nicht gesehen zu werden. »Vor allem nicht für andere Kilmalier.«
    Ein Denunziant – wie erfreulich!
    Lomboko liebte diese Gattung Mensch. Sie waren die besten Freunde eines Steuerbüttels. Eifersucht, gekränkte Eitelkeit, Gier oder Hass trieben sie in die weit geöffneten Arme der Fenaans.
    »Tritt näher, guter Mann, tritt näher!«, sagte Lomboko, den ein Hauch von guter Laune überkam. Zwar hatte er in den Aufzeichnungen der Kilmalier bereits ausreichend verdächtige Dinge ausgemacht; aber noch waren seine Argumente nicht schlagkräftig genug, um eine Anklageschrift aufzusetzen und sie der Prinzessin vorzulegen. Er hatte die Fährte aufgenommen und würde sein Ziel erreichen, keine Frage; aber dieser Bursche konnte ihm möglicherweise eine Abkürzung

Weitere Kostenlose Bücher