VT01 - Eine Wunde in der Erde
besichtigen…«
»Maelwoorms? Davon habe ich noch nie gehört.«
»Es handelt sich um eine hier in der Gegend beliebte Tierart, die für den Ernteeinsatz gezüchtet wird. Diese Wesen sind durchaus beeindruckend.«
»Riechen sie?«
»Ein wenig.«
»Dann sag diese Besichtigung gefälligst ab. Soll ich mit einem perlenbestickten Kleid durch einen matschigen Stall stiefeln und nach Scheiße stinkende Tiere streicheln?«
»Euer Favorit, Kinga, ist einer der begabtesten Maelwoorm-Reiter der Stadt. Er wird Euch zu Ehren besondere Kunststücke vorführen.«
»Wagt es nicht noch einmal, mich davon abzubringen, den Stallungen einen Besuch abzustatten, Falott! Ihr wisst, dass ich mich außerordentlich für regionale Folklore interessiere.«
»Selbstverständlich, Mademoiselle. Ich darf also der Dorfobersten mitteilen, dass das Programm konveniert?«
»Darfst du, Chérie, darfst du…«
***
Kinga hatte schlecht geschlafen, und seine üble Laune übertrug sich augenblicklich auf Xhusa. Der Drittwoorm erwies sich als bockig und widerspenstig, wollte selbst den einfachsten Befehlen nicht gehorchen.
»Ich kann nur hoffen, dass es bei der Aufführung besser klappt«, sagte er zu Nabuu, nachdem er abgestiegen war und Gonho das Sattelzeug gereicht hatte. »Die Prinzessin wird mich wohl kaum noch ansehen, wenn ich abgeworfen werde und vor ihr im Staub krieche. Andererseits…«
»Wag es ja nicht!« Zhulu hielt sich, wie immer während der letzten Tage, in seiner unmittelbaren Nähe auf. »Wenn du deinen Auftrag vermasselst, wirst du keine Stadt, kein Gehöft und kein Loch finden, in dem du dich vor dem Zorn der Kilmalier verstecken kannst.«
»Ist schon gut!« Die Vehemenz, mit der man ihn in die Rolle des Retters der Stadt manövrierte, zehrte an seinen Nerven. Jene Lockerheit, mit der man sich in die Aufgabe gestürzt hatte, die Prinzessin von der finanziellen Schieflage in Kilmalie abzulenken, war längst verflogen. Nun, da Lourdes tatsächlich gemeinsam mit ihrem Steuerbüttel die Gemeinde unsicher machte, stiegen Angst und Besorgnis den Menschen zu Kopf.
»Keine Angst«, brachte Kinga schließlich hervor, »ich werde mein Bestes geben. An mir soll’s nicht liegen, wenn das Kartenhaus all der Lügen, das wir während der letzten Jahre aufgebaut haben, zusammenbricht.«
Seit geraumer Zeit spielten sie mit dem Feuer. Nutzten die scheinbare Behäbigkeit der provinziellen Autoritäten aus, um ein eigenes Spielchen zu spielen. Immer mehr Freiraum hatten sich die Kilmalier erschwindelt, immer größere Geldbeträge in die eigene Tasche gewirtschaftet. Und nun, da Zahltag war, warf man ausgerechnet ihn dieser Bestie zum Fraß vor.
»Augen zu und durch«, flüsterte ihm Nabuu zu, als hätte er seine Gedanken erraten. »Denk an all den Ruhm, der dich erwartet, wenn der Plan funktioniert.«
Kinga nickte wider besseres Wissen.
Von welchem »Plan« sprach der Freund denn eigentlich?
Es gab die vage Idee, dass er die Prinzessin weich klopfen sollte, sodass sie über die finanziellen Unregelmäßigkeiten hinwegblickte und Lomboko den Raffzahn an der Leine behielt.
Doch niemand hatte ihm gesagt, wie er das anstellen sollte.
***
Wenige Minuten vor der Vorstellung grummelte der Boden neuerlich. Die Kilmalier taten so, als sei nichts geschehen. Die Prinzessin blickte irritiert umher, blieb aber schließlich neben ihrem Diener auf dem riesigen Haufen weicher Kissen sitzen.
Xhusas Kopf pendelte nervös hin und her. »Ruhig, mein Junge«, sagte Kinga und zog die Kreuzzügel enger. »Du spürst die Erschütterungen weitaus stärker als ich, nicht wahr?«
Sollte Sambui wirklich Recht behalten? Ging tatsächlich Gefahr vom Land aus?
»Es geht los!«, rief ihm Zhulu zu und half ihm auf den Stehsattel. Der Älter verzichtete heute bewusst darauf, seine Künste mit dem Viertwoorm zur Schau zu stellen. Ausschließlich Kinga durfte im Rampenlicht stehen. Er musste die Prinzessin beeindrucken, niemand sonst.
»Dann los, mein Junge!« Der Quarting löste die Seitenplanken, die den Drittwoorm bislang in seinem Ruhestall fixiert hatten. Kinga zupfte vorsichtig am Langzügel und brachte den Erstwoorm dazu, sich langsam in Bewegung zu setzen. Er kroch hinaus in die Übungsarena, reckte seinen Schädel in die Luft und bleckte die Zähne. Das tumbe Tier wirkte irritiert. Es war die große Zahl an interessierten Zusehern nicht gewohnt.
Jetzt der Zweitwoorm. Er stieß das Vordertier an, brachte es dazu, sich weiter hinaus in den Arenasand zu
Weitere Kostenlose Bücher