Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
VT01 - Eine Wunde in der Erde

VT01 - Eine Wunde in der Erde

Titel: VT01 - Eine Wunde in der Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael M. Thurner
Vom Netzwerk:
Lenker des Witveers Platz genommen hatte.
    Mit jeder Bewegung machte er ihnen seine Verachtung deutlich. Sie hatten seiner Meinung nach nichts auf diesem edlen Tier verloren. Alleine der Befehl der Prinzessin, durch Chérie überbracht, band ihn.
    Haltetaue wurden flugs gekappt. Der Lenker schrie den Soldaten auf dem Erdboden ein paar unverständliche Befehle zu und gab schließlich mehrere Schnalztöne von sich. Widerwillig schob der Witveer den Kopf aus dem Gefieder. Er fauchte laut. Eine Welle feuchten Mundgeruchs fuhr über sie hinweg.
    Der Lenker zog eine meterlange Peitsche hervor und zog sie mit einer einzigen raschen Bewegung über den Schnabel des Tiers. Widerwillig drehte es sich um, hob die Platschfüße gut spürbar an und setzte sich in Bewegung. Parallel zum Palisadenzaun der Stadt lief es dahin, auf die immer näher kommende Feuerspur zu. Endlich breitete es die Flügel aus, schlug kräftiger und rascher, hoch und nieder, hoch und nieder…
    »Geschafft!«, rief Kinga. »Wir sind in der Luft!« Er hielt sich, so wie die anderen Passagiere, an dicken Knotenstricken fest. Sein Magen hob und senkte sich in ungewohnter Weise.
    Der Lenker schenkte ihm einen bösen Seitenblick und spuckte eine grünliche Masse in weitem Bogen auf den Boden hinab. Sein Witveer glitt ruhig dahin, gewann aufgrund der Thermik rasch an Höhe.
    »Von hier oben sieht’s noch grässlicher aus!«, sagte Nabuu nach langem Schweigen. Sie alle blickten über den rechten Flügel hinab auf die Feuerspuren, die sich wie Kraakbeine übers Land ergossen. Die Hitze zog sich bis hier herauf. Der Lenker steuerte den Reitvogel höher und wich den beiden Hauptströmen seitlich aus.
    »Es stinkt!« Der alte Lokosso hielt sich demonstrativ die Nase zu.
    Aschen- und Funkenregen zwangen den Vogel und seine Reiter, immer weiter vom geplanten Kurs abzuweichen. Bald schon war das prächtige Gefieder des Witveer von einer grauen Schicht überzogen; da und dort zeigten sich kleine Brandlöcher, die die Irritation des Tiers weiter steigerten.
    »Dort vorne!«, rief Kinga über das Rauschen des mächtigen Flügelschlags hinweg. Er deutete hinab auf den See, in dem die Wasser des Pangaani durch mehrere Steindämme aufgestaut waren. Im kräuselnden Wasser spiegelte sich das Licht des Vollmonds wider.
    Zwanzig, vielleicht fünfundzwanzig Minuten noch! , dachte Kinga. Seine Hände schwitzten, der Hintern schmerzte vom ungewohnten Ritt.
    »Ich sehe für den Witveer keinen Platz zum Landen«, sagte Nabuu. »Wie sollen wir jemals dort hinab gelangen?«
    Der Lenker schüttelte den Kopf und verdrehte die Augen, als wunderte er sich über die Einfältigkeit der Kilmalier. Mit ruhigen Befehlen zwang er den Witveer tiefer hinab, immer tiefer – und ließ ihn schließlich im See landen. Mit stolz erhobenem Kopf schrillte der Vogel seine Befriedigung über die gelungene Wasserung hinaus. Seine breiten Paddelfüße bewegten sich ruhig und gleichmäßig. Binnen kurzer Zeit hatte er den Uferrand erreicht. Er beugte den Kopf und ließ seine Passagiere über den Hals hinweg absteigen, während der Lenker auf dem Tier hocken blieb.
    Das Terrain war äußerst glitschig. Kinga und Nabuu hatten alle Hände voll zu tun, um die beiden ungeschickten Dampfmeister sicher an die Flanke des Damms zu schaffen.
    »Nicht einmal mehr fünfzehn Minuten«, keuchte Sambui. »Das schaffen wir niemals.«
    Kinga achtete nicht auf das Gejammere des Alten. Im Licht des Vollmonds sah er die breiten metallischen Schieber, jeder mehrere Tonnen schwer, die einen geregelten Wasserablauf ins Tal steuerten. Mit Handkraft alleine würden sie sie unmöglich hochschieben können.
    Der Triping wandte sich nach links, der kleinen und unscheinbaren Hütte zu, aus der über mehrere Umwälzlager massive Ketten zu den Schiebern liefen. Er gab sich nicht damit ab, das Tor mit dem Hängeschloss zu öffnen, sondern trat es einfach ein. Mit einem Glimmstein zündete er die Fettlampe an, blickte sich in der Kammer um. Da lag der Vorrat an trockenem Holz und Spänen. Dort war die Vorheizkammer, die befüttert gehörte. Dahinter der Wassertank. Er war rostig und verstaubt.
    »Wir haben die Maschinen vor wenigen Monaten einem Probelauf unterzogen«, keuchte Sambui. »Es sollte keinerlei Probleme geben.«
    Der einzige Faktor, mit dem sie zu kämpfen hatten, war die Zeit. Es würde ein paar Minuten dauern, den Kessel vorzuheizen und die Kolben in den drei hintereinander angeordneten Kammern in Bewegung zu setzen.
    Kinga

Weitere Kostenlose Bücher