VT03 - Tod in den Wolken
mehr. Es war bis auf die Grundmauern abgebrannt. Wie ein gefangenes Tier rannte Nabuu in der Roziere umher, von einem Fenster zum anderen. Warum war dort unten niemand zu sehen? Panik erfasste ihn.
Kaum hatte die Roziere aufgesetzt, drängte sich Nabuu als einer der Ersten aus der Gondel. Ein beißender Geruch lag in der Luft. Der junge Kilmalier lief zu den verbrannten Trümmern des Ratshauses. Unzählige Knochen ragten aus der Asche. »Bei Ngaai, sie sind alle tot!«, flüsterte er.
Er taumelte rückwärts, drehte sich im Kreis. Die offenen Türen verlassener Häuser starrten ihn an. In den Unterständen an den Stadtmauern lagen verwesende Tierkadaver.
Nabuu rannte zu den Häusern. Ihre Fenster waren mit Holzbohlen vernagelt. Die Türen standen offen. In manchen war das Innere verwüstet, in anderen sah es aus, als ob die Familien eben vom Frühstückstisch aufgestanden wären.
In seinem eigenen Zuhause hingen die Reitriemen für die Maelwoorms von den Deckenbalken. Ein Kessel schaukelte über der Feuerstelle, und das Bett seines Ziehvaters schien unberührt. Von Zhulu keine Spur.
»Zhulu«, brach es aus Nabuu hervor. »Zhulu, wo bist du?«
Eine Hand legte sich fest auf seine Schulter. Es war Rönees Großvater. »Komm, mein Junge. Hier ist niemand.« Mit sanfter Gewalt schob der spitzbärtige Hauptmann Nabuu aus dem Haus. Vom Stadttor drangen Rufe zu ihnen herüber. »Hier oben! Hier oben!«
Unter einem Schleier aus Tränen sah Nabuu die Gardisten winken. Sie standen auf den Palisaden und zogen leblose Körper aus den Zinnen der Mauer. Die Männer brachten die Leichen nach unten.
Nabuu starrte auf das, was die Gruh von den Toten übrig gelassen hatten. Allen war der Schädel eingeschlagen worden. Teilweise fehlten den Toten einzelne Glieder. Unzählige Wunden bedeckten ihre Körper. Sie sahen aus, als ob wilde Tiere an ihnen gefressen hätten. Nabuu erkannte Fakalusa, Lokosso und Zhulu. Der junge Triping beugte sich über den Leichnam seines Ziehvaters. Mit seinen Finger zog er die Linien des Raaven auf dessen Stirn nach. »Bester aller Quartings, möge Ngaai dich in Ehren empfangen!«
Nabuu richtete sich auf. Seine Augen hefteten sich auf die dunkle Rauchfahne, die sich in der Ferne aus dem Götterberg erhob. »Helft mir, den Toten die letzte Ehre zu erweisen!«
Am Nachmittag landete Wabos Roziere vor Kilmalie. Er eilte mit seinen Männern in die Stadt. Er hatte gehofft, wenigstens hier Überlebende zu finden. Aber die Gruh hatten keinen verschont!
Rönee war an seiner Seite und suchte nach Nabuu. Er entdeckte ihn hinter den Trümmern des Ratshauses. Mit geballten Fäusten stand der junge Kilmalier vor dem heruntergebrannten Feuer. Er hatte die Überreste der toten Kilmalier verbrannt. Seine Gedanken waren bei Zhulu, Kinga, Vietsge und all den anderen, mit denen er sein ganzes Leben verbracht hatte. Sein Gesicht glich einer Maske. Rönee erkannte, dass kein Wort und keine Geste seinen Freund jetzt trösten konnten. So blieb er einfach schweigend neben ihm stehen.
Die Augen seines Großvaters wanderten hinüber zu Wabo. Der Kriegsminister schüttelte stumm seinen kahlen Schädel. Weder die Leichen von Kilmaliern, noch die eines Gruh waren da draußen bei der Großen Grube zu finden gewesen.
»Der Einstieg in die Grube ist versperrt!«, rief er dem Hauptmann zu. »Aber wir haben Spuren der Gruh entdeckt, die in einen neu aufgebrochenen Erdspalt führen! Dort hinein müssen wir!«
Nabuu wirbelte herum. »Ich bin bereit! Lasst uns gehen!«
»Du hast genug mitgemacht, Nabuu. Du wirst mit einem meiner Männer zur Wolkenstadt zurückkehren und dem Kaiser von dem Massaker berichten! Rönee wird dich begleiten!«, erwiderte Wabo.
Nabuu lachte bitter. »Meine Füße stehen auf der Erde von Kilmalie. Sie ist getränkt mit dem Blut meiner Familie, meiner Freunde, meiner Nachbarn. Nicht einmal ihre Überreste hat man mir gelassen, um von ihnen Abschied zu nehmen. Glaubst du wirklich, du bekommst mich in eine der Rozieren?« Er zog sein Messer aus dem Gürtel. »Ich werde mit dir in dieses verfluchte Erdloch steigen! Bei Ngaai! Für jeden einzelnen Knochen meiner Leute wird ein Gruh durch diese Klinge sterben!«
Wabo schaute ihn aus zusammengekniffenen Augen an. Er kannte diesen Ausdruck im Gesicht des jungen Kilmaliers. Schon viele Male hatte er ihn bei kämpfenden Kriegern gesehen. Der Bursche war zu allem entschlossen. Die Aussicht zu sterben hatte für ihn seinen Schrecken verloren. Er wollte töten, was
Weitere Kostenlose Bücher