VT03 - Tod in den Wolken
stand, gab sie den beiden wartenden Wächtern ein Zeichen. Sie verschlossen die Flügel des schweren Holztores und schoben die Eisenverriegelung in die Bügel.
Kaum war das geschehen, eilten Männer aus verborgenen Ecken und Winkeln des Platzes herbei. Auf ihren Armen türmten sich Bündel aus Reisig und Ästen. Sambui, der Dampfmeister, schleppte einen Kanister heran. Abwartend blieben sie vor der Dorfobersten stehen.
»Legt es um das Haus. Sobald der erste Gruh diesen Platz betritt, zündet es an!«, befahl Fakalusa und ging davon.
Die Männer zögerten.
»Tut, was sie sagt«, knurrte Sambui. »Oder wollt ihr, dass eure Frauen und Kinder bei lebendigem Leib gefressen werden?«
Niemand wollte das. Und während sich die Dorfoberste dem Tor näherte, gingen die zurückgebliebenen Kilmalier grimmig ans Werk.
Fakalusa überquerte den großen Platz. An ihren Beinen schienen gefüllte Getreidesäcke zu hängen. Ihre Augen waren blind vor Tränen, und ihr Herz brannte wie eine offene Wunde.
Sollte das wirklich das Ende von Kilmalie sein?
Sie erreichte das Tor und kletterte schwerfällig die Leiter zu den Palisaden hinauf. Auf den letzten Sprossen streckte sich ihr eine Hand entgegen. Lokosso, der andere Dampfmeister, zog sie auf die Plattform neben Zhulu.
Der Quarting nickte ihr zu. »Es sind Hunderte und ihr Strom reißt nicht ab«, brummte er und starrte auf die Ebene vor den Mauern Kilmalies.
Die Gruh waren unschwer zu erkennen: Wie graue Käfer krochen sie über die verbrannte Ebene. Ihre starren Körper wankten zu dem Ring, den sie um das Dorf gebildet hatten. Dort verharrten sie regungslos. Ihre roten Augen glotzten ins Leere.
»Kannst du sehen, wer sie befehligt?«, fragte Fakalusa.
Zhulu schüttelte den Kopf.
»Die Hölle selbst«, flüsterte Lokosso heiser. Es waren die letzten Worte, die er in seinem Leben sprechen sollte.
***
Wimereux-à-l’Hauteur
Pilatre de Rozier lief in dem kaiserlichen Ratszimmer auf und ab. Das Luftschiff, mit dem ihn die Boten aus dem Hinterland geholt hatten, war vor wenigen Stunden im Park des Palastes gelandet. Nachdem man dem Kaiser mitgeteilt hatte, dass Bunaaga im Haus der Heiler wäre, um nach seiner verletzten Nichte zu sehen, nahm Pilatre erst einmal ein Bad und legte frische Gewänder an. Nach einem Frühstück war ihm nicht zumute. Die Nachricht von der Entführung seiner Tochter Lourdes drückte ihm auf das Gemüt.
Er ließ sich einen Tee bringen und verlangte nach seinem Leibarzt Leguma. Die Boten Bunaagas, die gestern in das Basislager gekommen waren, konnten ihm nichts Genaues über die Vorgänge in Kilmalie sagen. Genauso wenig, wie seine Hofdienerschaft ihm erklären konnte, warum seine Leibwächterin verletzt im Haus der Heiler lag. Er hasste diesen Mangel an Informationen, hasste Ungewissheit und hasste es, warten zu müssen.
Als Bunaaga das Ratszimmer betrat, begegnete ihm sein Kaiser in einem Zustand höchster Anspannung und ärgerlicher Ungeduld. Der Berater neigte den Kopf. »Es tut mir Leid, dass Ihr warten musstet! Ich habe mit Eurer Ankunft nicht so schnell gerechnet!«
Vom anderen Ende des Raumes blickte ihn de Rozier aus zusammengekniffenen Augen an. Bunaaga sah müde und blass aus. »Schon gut, Bunaaga. Setze er sich!«, befahl er.
Der Grauhaarige nahm auf einem der zweiunddreißig Stühle an dem langen Tisch Platz, der in der Mitte des Raumes stand. Sofort huschte eine Dienerin aus einer Ecke des Zimmers und brachte ihm Tee. Ihre Finger zitterten beim Einschenken. Auf ihrem Gesicht lag ein ängstlicher Ausdruck und ein Lid ihrer Augen zuckte nervös. Sie war fast noch ein Kind!
Bei ihrem Anblick fiel Bunaaga der nächtliche Überfall auf Tala und Nabuu ein: Jedermann wusste, dass es die Kinder der Nacht gab und dass sie Bastarde des Hofes und der Dienerschaft waren. Auch war bekannt, dass sie Gebiete des Äußeren Ringes für sich beanspruchten. Aber nie wurde offen darüber gesprochen! Sie stellten ein Problem dar, das auf Dauer dem Ansehen des Hofes schadete. Ein Problem, das nun eine Dimension annahm, die Bunaaga Bauchschmerzen bereitete.
Er bedankte sich mit einem Nicken bei dem Mädchen und beobachtete, wie de Rozier ihr ein Zeichen gab, den Raum zu verlassen. Der Kaiser trug die blauweiße Uniform der Gardisten. Eine rote Schärpe lag über seiner Brust. An seinem Gürtel hing ein Säbel mit vergoldetem Griff, den er sich vor vielen Jahren hatte schmieden lassen. Seine Haare waren unter einer schwarzen Zopfperücke verborgen.
Als
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