VT05 - Tag der Vernichtung
Kampfanzug mit Tarnfarben und ein rotes Barett. Van der Groot sah sofort, dass er wahnsinnig war.
»Charles Poronyoma«, raunte der Deutsche ihm ins Ohr.
»Präsident von Tansania. Nennen Sie ihn ›Karl‹.«
Mit einer Handbewegung bedeutete der Präsident dem General, den Bewaffneten und dem Wachpersonal zu verschwinden. Van der Groot wies er einen Platz an einem der Tische zu.
»Sie haben nichts zu befürchten, Professor«, sagte er auf Deutsch, als sie allein waren. »Mein Vorbild ist der edle deutsche Kaiser Karl der Große, falls Ihnen der Name etwas sagt.«
»Selbstverständlich, Herr Präsident Karl«, sagte van der Groot ungerührt. »Auch ich schätze Karl den Großen außerordentlich. Ohne ihn wäre mein Vaterland heute sächsisch.«
»Ach ja?« Lächelnd entblößte Charles Poronyoma seine Zähne. »Wie ich höre, arbeiten Sie an einer Tiefschlafdroge.«
»So ist es in der Tat, Herr Präsident Karl.«
»Es heißt, mit Hilfe dieser Droge könne ein Mensch über Jahrhunderte schlafen, ohne nennenswert zu altern.«
»So ist es, Herr Präsident Karl. Sie sprechen übrigens hervorragend Deutsch.«
Charles Poronyoma strahlte. »Danke. Es heißt weiter, mit dieser Droge könne man schlafen und zugleich wach sein, wenn es darauf ankommt.«
»Ganz genau so verhält es sich, Herr Präsident Karl.« Van der Groot wurde heiß und kalt. »Und ich spreche eigentlich auch nicht von einer Droge, sondern von einem Medikament.«
»Erzählen Sie mir mehr über dieses Medikament…«
***
Dortmund, 12. Oktober 2011
Eusebia schminkte sich die Lippen, während Knox durch die Seiten der Nachrichtendienste surfte. Im Schminkspiegel konnte sie sehen, was der Mann schräg hinter ihnen auf dem Monitor betrachtete: ein nacktes Paar, das es in einer exotischen Stellung auf dem Sattel eines Motorrads trieb.
An allen Computern des Internetcafés saugten die Leute die neuesten Nachrichten über den Kometen von den Schirmen, und dieser Kerl vergnügte sich bei einem Porno. Vielleicht nicht die schlechteste Art, sich die Zeit bis zu einem Kometeneinschlag zu vertreiben.
Eusebia war fest davon überzeugt, dass es zum großen Crash kommen würde, sie wusste selbst nicht, warum.
Seufzend prüfte sie ihre schwarzen Lippen und steckte Stift und Spiegel zurück in die Tasche.
Knox wollte eigentlich nur seine Mailbox leeren, inzwischen war er auf der Seite von CNN gelandet. »Wenn das Miststück uns tatsächlich erwischt, sehen wir verdammt alt aus«, sagte er mit sorgenvollem Unterton. »Der Himmel wird monatelang schwarz wie Teer sein, kein Sonnenlicht wird durch die Schicht aus Rauch und Asche dringen, die dann die Atmosphäre wie ein Sack verhüllen wird.«
»Kann man doch mal eine Zeitlang verkraften, oder?«
Eusebia zuckte mit den Schultern. »Wolltest du nicht deine Mails checken?«
»Aber die Folgen nicht: eisige Winter und eine geschlossene Schneedecke, die über Jahre alles zudeckt, was von uns übrig geblieben sein wird.«
»Hör auf!« Vor allem seine besorgte Stimme machte Eusebia nervös. So kannte sie Knox gar nicht. »Woher will man das denn alles so genau wissen?«
»Es wird Zeit, dass du endlich anfängst, Zeitung zu lesen. Bald gibt’s vielleicht keine mehr.« Knox klickte auf einen Link, und das Foto eines Mannes mit schmalem, knochigen Gesicht und einem blonden Pferdeschwanz erschien auf dem Monitor. »Das ist der Mann, den sie heute überall zitieren: Professor Doktor Jacob Smythe, Astrophysiker und Mediziner.«
»Hat der vielleicht Glubschaugen!« Der Mann war Eusebia unheimlich.
»Ich les mal vor«, sagte Knox. »Die Atmosphäre wird gesättigt sein von Stickoxiden, Salpetersäure und rötlichen Gasen. Vulkane werden Lava in unvorstellbaren Mengen ausspucken. Heiße Wasserfontänen werden aus der zerbrochenen Erdkruste schießen. Extrem saure Regenfälle werden folgen. Radioaktivität aus zerstörten Kernkraftwerken und Raketensilos wird freigesetzt werden. Falls dann noch Frauen leben, werden sie missgebildete Kinder zur Welt bringen. Schon Jahrzehnte danach werden die ersten Mutationen auftreten…«
»Hör auf!« Eusebias Gesicht wurde kantig und hart. In ihren plötzlich starren Augen loderte die Angst. »Du wolltest deine Mails checken!«
»Es geht schon los«, sagte Knox düster. Er surfte auf die Seite von SPIEGEL-online. »In Schweden ermordet irgendeine altgermanische Sekte Pfarrer und Journalisten, die Börse rotiert, in Brasilien herrschen bürgerkriegsähnliche Zustände, in der
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