VT06 - Erstarrte Zeit
gestiegen bist.«
»Lasst mich in Ruhe«, sagte Percival leise. Er dachte an London und an seine Wohnung. Wahrscheinlich brannte die Stadt, wahrscheinlich brannte seine Wohnung. Das Foto von Suzanne auf seinem Schreibtisch – es würde jetzt gerade verbrennen. Oder erst in ein paar Stunden? So genau wie Krieger wusste er nicht, was sich draußen abspielte. Er wollte es auch nicht so genau wissen. Gar nichts mehr wollte er wissen.
»Was sind das für Typen?« Donald blickte zu den Lastwagen, die in die Höhle gefahren waren. »Was bringen die da?«
Einige Schwarzafrikaner hatten sich um die drei LKW versammelt. Sie öffneten die Plane des ersten und klappten den Heckverschlag auf. Flüche und Beschimpfungen ertönten. Statt Proviant oder sonst irgendetwas Nützliches hatten die Armeetransporter Munition und Sprengstoff geladen. Die verzweifelte Menge ging auf die Fahrer los, Schüsse fielen.
Die Tänzer hielten inne, die Beter und Sänger verstummten, und sogar der so unheimlich gut informierte Deutsche hielt den Mund und blickte zu der Stelle, wo der Gang in die Haupthöhle einmündete.
»Hört auf!« Percival ließ Leila los und stemmte sich hoch. »Aufhören!« Einer der Neuankömmlinge lag schon am Boden. Percival stapfte zu dem Lastwagen. Donald, Dagobert und Krieger folgten ihm. »Lasst die Männer in Ruhe!« Percival schrie mal in seiner Muttersprache, mal in Deutsch, und brachte in seiner Wut sogar ein paar Brocken Bantu zustande, die er in den Monaten auf dem schwarzen Kontinent gelernt hatte. »Es reicht doch, dass der verdammte Komet uns umbringt!«
Die Männer ließen ab von den Soldaten. Allein Percivals große und übergewichtige Gestalt flößte ihnen Respekt ein. »Wer seid ihr?«, fragte der Brite die Uniformierten. »Woher kommt ihr?«
Der Kommandant des Konvois, ein Major, antwortete auf Bantu. Percival verstand kaum drei Worte.
»Er gehört zu einer Gruppe Putschisten«, sagte eine Stimme hinter ihm. Percival drehte sich um und blickte in die vollkommen entspannten Gesichtszüge des hohlwangigen Kokainschnupfers. »Er und seine Männer haben den Kontakt zu ihrer Einheit verloren.«
Der Mann sah bleich und krank aus, ein unnatürliches Funkeln lag in seinen hellblauen Augen. Seine langen blonden Locken glänzten pomadig. Er trug einen schwarzen Nadelstreifenanzug mit Weste zu weißem Hemd und violetter Krawatte.
»Sie sprechen Bantu?«, fragte Percival.
»Roger Wilson, ich bin Ethnologe«, entgegnete der andere in feinstem Oxford-Englisch. »Ich arbeite und lebe seit vierzehn Jahren in Ostafrika. Sie sind ebenfalls Brite, wie ich höre?«
Percival nickte. »Thomas Percival.« Mit einer Kopfbewegung bedeutete er dem Major der tansanischen Armee, weiter zu sprechen. Wilson übersetzte.
»Er heißt Mogbar. Sein Kommandeur, ein General, hat sich heute Nacht mit einer Einheit aus fünfzig Panzern, drei Sprengstofftransportern und achthundert Infanteristen auf zwanzig Truppentransportern aus der Hauptstadt aufgemacht. Sie wollten Poronyoma aus seinem Bunker herausholen und aufhängen.«
»Und warum haben sie es nicht getan?«, fragte Percival.
Roger Wilson richtete die Frage an den schwarzen Major und übersetzte seine Antwort. »Die Panzer und die Mannschaftstransporter sind im Stau der Flüchtlinge stecken geblieben.«
***
Im Bunker Karls des Großen, 8. Februar 2012
»Wir müssen Eusebia da rausholen, Doc«, sagte Knox. Er, Daniel Djananga und ein österreichisches Model namens Sissi hatten sich in van der Groots Labor getroffen. »Wenn Sie mir nicht helfen, hau ich meine Braut auf eigene Faust raus!«
»Dann sind Sie erledigt, Knox«, sagte Sissi.
Etwa tausend blonden europäischen Models hatte der Kaiser einen Bunkerplatz angeboten. Bei siebenundsiebzig Models schließlich war die Angst vor dem Kometen größer gewesen als die Angst vor dem Despoten – vielleicht auch die Naivität –, und sie waren im Lauf von drei Monaten angereist.
Außer dass sie blond und hübsch waren, hatten sie noch eine dritte, weniger angenehme Gemeinsamkeit: Der Kaiser belästigte sie sexuell oder traktierte sie bereits mit seinen sexuellen Perversionen. Die meisten hassten und alle fürchteten den vermeintlichen Retter inzwischen und hatten eine Art feministischer Widerstandsbewegung organisiert. Sissi war ihre Sprecherin.
»Poronyomas Sicherheitsgorillas werden Sie schnappen, Knox«, beschwor sie den Kölner. »Und dann salzsäuert er Sie als Ersten.«
Van der Groot musste unwillkürlich grinsen
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