VT08 - Anti-Serum
musst dich ausruhen«, beschloss Marie. »Wir werden einen Bauernhof aufsuchen. Dort kannst du schlafen. Wir können immer noch in der Nacht weiterziehen.«
»Nein!«, stieß er hervor. »In der Nacht kommen die Gruh. Wir müssen sofort weiter.«
»Aber du kannst nicht weiter! Sieh dich an. Du bist schwach. Du bist verwundet.«
Ihre Blicke kreuzten sich, und sie las das Flehen in seinen Augen.
»Wenn ich jetzt anhalte«, flüsterte er, »werde ich niemals wieder aufbrechen, und du weißt das.«
»Ja, aber…«
Marie stockte, als Nooga sich plötzlich krümmte, als würde er von einem Krampf geschüttelt. Er fiel auf die Knie und hielt sich die Arme um den Unterleib.
»Marie«, keuchte er, »bitte…«
Marie riss das Schwert aus seiner Scheide und trat einen Schritt zurück. Ihre Hände zitterten. Sie redete sich ein, dass sie nur ihre Pflicht tat, dass sie die Menschen beschützen würde, wenn sie Nooga tötete, doch ein Teil von ihr wusste, dass sie sich für alle Zeiten schuldig machte. Sie würde ihn töten, obwohl er sie verschont hatte. Ihr sogar das Leben gerettet hatte!
Nooga entspannte sich. Er atmete einige Male tief ein und aus und stemmte sich auf die Beine. »Ich… bin in Ordnung. Es geht noch.«
Marie stieß erleichtert die Luft aus. »Wie weit ist der nächste Hof?«, wandte sie sich an Mala.
»Der nächste Hof gehört Balan«, erwiderte Noogas Schwester. »Er befindet sich hinter dem nächsten Hügel.«
»Bon«, sagte Marie. »Dann werden wir dort die Nacht verbringen.«
Sie blickte sich um, in der Erwartung, Widerspruch zu ernten. Doch die Menschen blieben stumm. Einige nickten sogar.
Damit war die Entscheidung gefallen.
***
Doktor Aksela hatte ihre Arbeit für eine halbe Stunde unterbrochen und den Palast aufgesucht. Bleich wie ein Gruh war sie durch die Straßen von Orleans geirrt. Die wochenlange Arbeit in Wimereux-à-l’Hauteur an dem Anti-Serum, dann die Reise nach Orleans und jetzt die Produktion des Anti-Serums im Haus der Heiler… Sie merkte, dass sie am Ende ihrer Kräfte angelangt war.
Umso frustrierender war es, dass der Sonderbeauftragte für Militärisches offenbar beschlossen hatte, die Möglichkeiten, die das Anti-Serum bot, bei der Ausarbeitung seiner Verteidigungsstrategie komplett zu ignorieren.
Am Eingang des Palastes vergingen weitere Minuten, bis sie zu de Fouché vorgelassen wurde. Der Sonderbeauftragte sei gerade in einer wichtigen Besprechung, hieß es.
Als Doktor Aksela den Saal betrat, erblickte sie de Fouché am Besprechungstisch. Neben ihm saß eine korpulente junge Frau, deren arrogante Gesichtszüge eine entfernte Ähnlichkeit mit denen des Kaisers aufwiesen. Doktor Aksela vermutete, dass es sich um Antoinette handelte, die Zwillingsschwester der verschwundenen Lourdes. Also hatte de Fouché sie offenbar bereits in seine Pläne eingeweiht.
Aksela schöpfte neue Hoffnung. Vielleicht würde Antoinette ihr Anliegen unterstützen, das Serum den Menschen in Ribe und Muhnzipal zur Verfügung zu stellen.
»Doktor Aksela«, sagte de Fouché mit unverhohlenem Missfallen in der Stimme. »Ich dachte, ihr wärt im Haus der Heiler mit der Herstellung des Anti-Serums beschäftigt.« Er verzog das Gesicht, als Aksela sich setzte, ohne um Erlaubnis zu fragen.
»Als der Kaiser mich schickte«, hob sie an, »ahnte ich nicht, dass es sich offenbar um eine rein politische Entscheidung handelte und dass meine Arbeit hier in Orleans-à-l’Hauteur keinen konkreten Nutzen haben würde.«
»Aber das hat sie doch«, sagte de Fouché liebenswürdig.
»Und welchen, wenn ich fragen darf?«
»Sie schützt uns im Krisenfall, der in einer großen Stadt wie Orleans jederzeit eintreten kann.«
Doktor Aksela sprang auf. »Wir sind hier oben absolut sicher vor den Gruh! Die Menschen auf der Erde sind es, die sich fürchten müssen. Sie sind es, die in Gefahr sind! Jede Nacht sterben Dutzende von ihnen. Die Umgebung der Großen Grube, ja ganz Kilmalie ist inzwischen vollständig entvölkert.«
»Wenn es euer Ziel war, Betroffenheit zu verbreiten, dann habt ihr es erreicht«, sagte de Fouché brüsk. »Jetzt wäre es gut, wenn ihr uns unsere Arbeit tun ließet.«
»Es ist mein Ziel, den Menschen zu helfen!« Sie wandte sich an Antoinette. »Bitte, Eure Excellenz, Ihr müsst doch einsehen, dass die Menschen das Anti-Serum brauchen. Es ist ihre einzige Chance, gegen die Gruh zu bestehen.«
Antoinette zog die Mundwinkel nach unten. »Wie viel von diesem komischen Anti-Serum gibt
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