VT08 - Anti-Serum
es inzwischen?«
»Wir verfügen über ungefähr fünf Dutzend Proben. Und es werden stündlich mehr. Wir könnten sie nach Ribe oder Muhnzipal bringen und damit…«
»Fünf Dutzend! Es leben aber viele hundert Menschen in Orleans. Allein die Gardisten im Palast, der Hofstaat, nicht zu vergessen den Herrn Sonderbeauftragten und seine, äh, Gäste.«
»Aber das Anti-Serum ist hier oben nicht von Nutzen!«
»Sie glaubt also, dass das Leben einer Prinzessin von reinem Blut geringer einzuschätzen ist als das Leben einiger Steuerbetrüger in Ribe oder Muhnzipal?«
Doktor Aksela musste an sich halten, um nicht mit der Faust auf den Tisch zu schlagen. Diplomatie war noch nie ihre Stärke gewesen, auch wenn sie in Wimereux-à-l’Hauteur stets für ihre Freundlichkeit geschätzt worden war. In Wimereux bestimmten aber auch nicht solche egoistischen Hohlköpfe wie de Fouché und Prinzessin Antoinette die Richtlinien der Politik.
»Bitte«, sagte sie mit erzwungener Ruhe. »Ich flehe Euch an, Eure Entscheidung zu überdenken. Wir sind hier oben in Orleans nicht in Gefahr…«
»Sie beginnt sich zu wiederholen«, schnarrte Antoinette.
»Ja«, fauchte Doktor Aksela, »weil offenbar niemand zuhört, wenn ich etwas sage!«
»Das ist eine Unverschämtheit!«, brauste Antoinette auf.
»Wache! Dafür werde ich sie auspeitschen lassen. Ich werde sie ins Gefängnis werfen lassen, und dann werde ich…«
»Verzeiht, Prinzessin«, schritt de Fouché ein, »aber ich bin überzeugt, dass Doktor Aksela im Augenblick im Haus der Heiler wesentlich besser aufgehoben ist als im Gefängnis. Nichtsdestotrotz steht unsere Entscheidung, Doktor. Wenn ihr also keine weiteren Argumente vorzubringen habt, rate ich euch, umgehend wieder an die Arbeit zu gehen!«
***
Der Hof Balans lag still und scheinbar friedlich inmitten des Ackerlands.
Aber in Zeiten wie diesen hieß es vorsichtig zu sein. Die Felder wirkten im Schein der Abendsonne wie mit Blut übergossen, und die unbeleuchteten Fenster schienen wie ein Menetekel auf bevorstehendes Unheil hinzudeuten.
Marie bat die anderen zurückzubleiben und näherte sich gemeinsam mit Nooga der Tür des Bauernhauses.
Balan war einer der reicheren Bauern der Umgebung, wie Nooga unterwegs erklärt hatte. Zwar war er schon alt, aber er besaß zwei kräftige Söhne, die exzellente Woormreiter waren und die Felder mit Hilfe zweier Maelwoorms, die sie selbst zugeritten hatten, bewirtschafteten. Man munkelte sogar, dass Balan den darbenden Bauern der Umgebung wie Rubo Anan Kredite gegeben hatte.
Beim Gedanken an Rubo Anan fühlte Marie das Blut erneut wie Eiswasser durch ihre Adern rinnen. Nachdem sie die Gruh-Kinder getötet hatten, war Marie zusammen mit ein paar anderen Männern zur Farm aufgebrochen. Die Befürchtung, dass auch Rubo Anan und seine Frau sich in Gruh verwandelt haben könnten und sie in der Nacht verfolgen würden, war schließlich nicht von der Hand zu weisen gewesen. Stattdessen fanden sie jedoch nur die Leichen des Ehepaares. Die Schädel waren aufgebrochen und die Innenseiten sauber entleert.
Offenbar waren Rubo Anan und seine Frau von den eigenen Kindern angefallen worden…
Marie klopfte an die Tür von Balans Haus. Dabei warf sie einen heimlichen Blick auf ihren Begleiter. Nooga hielt die Rechte am Schwertgriff, bereit, sich sofort zu verteidigen, wenn es nötig sein sollte. Jetzt wirkte er wieder wie ein starker Krieger und Beschützer, aber Marie ahnte, dass dieser Eindruck nicht von Dauer sein würde.
Nooga war verloren…
Sie zuckte zusammen, als hinter der Tür Schritte laut wurden. Jemand näherte sich langsam und schlurfend der Tür.
»Wer ist da?«, erklang eine dünne Stimme.
»Hier ist Nooga, Woormreiter aus Vilam«, sagte Nooga mit fester Stimme. »Wir suchen ein Quartier für die Nacht.«
»Wir?«
Nooga und Marie blickten sich an.
»Wir haben Vilam verlassen«, erklärte Vilam, »da es dort zu gefährlich wurde. Du bist Sisa, Balans Tochter, nicht wahr? Ich erkenne deine Stimme.«
Die Tür öffnete sich. Sisa erschien im Rahmen.
Marie entspannte sich ein wenig. Sisas Gesicht wirkte ermüdet und eingefallen – aber nichtsdestotrotz menschlich.
»Ihr seid nur zu zweit?«, hauchte Sisa ohne wirkliches Interesse. Ihr Blick schien durch Nooga und Marie hindurchzugehen.
»Die anderen warten vor dem Grundstück. Wir wussten nicht, was uns hier erwartet.«
Sisa lächelte. »Ja, die Vorsicht ist gerechtfertigt.«
Marie und Nooga wechselten erneut einen
Weitere Kostenlose Bücher