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VT09 - Die tödliche Woge

VT09 - Die tödliche Woge

Titel: VT09 - Die tödliche Woge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dario Vandis
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Armbrust lag in seiner Rechten. Mit der Linken hielt er den Säbelgriff gepackt, bereit, sofort zuzuschlagen, wenn eine der gefürchteten grauen Gestalten aus der Finsternis auf sie zutaumelte.
    Und weil er sich ausschließlich auf das konzentrierte, was vor ihnen lag, dachte er nicht mehr an das Geräusch, das er kurz zuvor hinter sich vernommen hatte.
    Niemand lugte über die Felsnase hinweg und beobachtete, wie die Feinde stehen blieben und ihr Anführer etwas vom Boden aufhob. Ein Stück Stoff, über den sie anschließend diskutierten, bevor sie mit entsicherten Waffen weiter vordrangen.
    Feinde… Niemand kratzte mit den abgebrochenen Fingernägeln über die böse Stelle an seinem Hinterkopf. Er wusste nicht, ob die Fremden wirklich noch seine Feinde waren. War es nicht so, dass es hier unten in diesem Labyrinth nur einen gemeinsamen Feind gab – nämlich die aschgrauen Monster, die wie Menschen aussahen, aber ausschließlich von der Gier nach Blut und Gehirnen angetrieben wurden?
    Aber sie haben Maman getötet!
    Bevor der Hass erneut in ihm empor kochen konnte, versuchte Niemand sich zu beruhigen. Ein winziger Teil seines verwirrten Verstandes begriff, dass die Fremden sich nur verteidigt und mit allen Mitteln der Falle zu entkommen versucht hatten, in die er, Niemand, sie gelockt hatte.
    Ich bin schuld an Mamans Tod!
    Niemands Augen füllten sich mit Tränen. Bin schuld. Will sterben. Darf nicht mehr weiterleben!
    Er strich sich mit den Nägeln über die Kehle, aber er brachte es einfach nicht fertig, Hand an sich zu legen. Zu oft war er von Fremden misshandelt worden. Zu oft hatten andere ihn zu töten versucht. Er wusste, dass er in den Augen der anderen nichts wert war. Hauptmann de Fouché, die unseligen Schwestern und schließlich die Grauhäutigen… sie alle hatten versucht, ihn zu töten. Und keinem von ihnen war es gelungen.
    Er hatte überlebt, weil er sich zurückgezogen, sich nicht mehr eingemischt hatte in das Leben der anderen.
    Und das würde er auch jetzt nicht tun.
    Die Fremden waren dem Versteck der Gruh jetzt bedenklich nahe gekommen. Niemand konnte die Opfer der Gruh bereits riechen: Menschen und auch Würmer, von denen sie zehrten.
    Der Gestank nach Verwesung war so stark, dass er sich fragte, wie die Fremden ihn überhaupt aushielten.
    Bald werden sie kommen. Sie werden in Scharen über die Fremden herfallen und…
    Sollte er sie retten? Sollte er sie zum Anführer der Gruh führen, von dem die Fremden anscheinend noch nicht einmal wussten, dass er existierte? Niemand hatte ihn nur einmal gesehen, als er vor einigen Wochen, nach dem Grollen des Berges, das veränderte Labyrinth erkundschaftet hatte. Er war an einen Durchbruch gelangt, der in eine andersartige Welt führte, die Niemand an jene erinnerte, in der er früher gelebt hatte. Nur dass diese Welt hier unten von Gruh beherrscht wurde und vollständig unter Tage lag. Niemand hatte sie erkundet, die unzähligen Gänge und Korridore mit den glatten, stahlgrauen Wänden. Er hatte Gruh gesehen, war ihnen jedoch stets aus dem Weg gegangen, bevor sie auf ihn aufmerksam würden. Und er hatte den Mann gesehen, dem die Gruh aufs Wort gehorchten. Er war hager und weiß und trug einen schmutziggrauen Mantel und eine Brille mit runden Gläsern.
    Niemands Neugier war geweckt gewesen. Er hatte überlegt, dem Mann zu folgen, dann aber davon abgesehen. Die Gefahr, dass die Gruh ihn entdeckten und zerfleischten, war zu groß.
    Warum sollte er den Fremden nicht einfach ihren Wunsch erfüllen? Er würde sie zu den Korridoren mit den glatten Wänden bringen und sie zu dem Anführer der Grauhäutigen führen. Dann würde er seine Armbrust bekommen, und alle wären zufrieden.
    Zufrieden? Die Fremden wären tot. Zerrissen von den Gruh.
    Aber das wäre dann nicht mehr sein Problem.
    Ja, es war besser, mit den Fremden zusammenzuarbeiten.
    Besser, vorerst zu vergessen, dass sie Maman getötet hatten.
    Dafür konnte er sich später immer noch an ihnen rächen, wenn sie die Begegnung mit den Gruh überlebten.
    Niemand strich sich über die böse Stelle und nickte.
    Er hatte eine Entscheidung gefällt und sprang hinter der Felsnase hervor, um die Fremden einzuholen.
    Da klang vor ihm der erste Schrei auf.
    Nabuu reagierte mechanisch.
    Sein Zeigefinger krümmte sich, und der Armbrustpfeil schnellte mit einem zischenden Geräusch von der Sehne und bohrte sich in den Schädel des Grauhäutigen, der unvermittelt vor ihnen aufgetaucht war. Der Gruh wankte zurück

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