VT10 - Tod im Blut
verlieren. Er sagte etwas milder: »Du kannst Mbisi nicht retten. Wenn du etwas für ihn tun willst, dann sieh ihm in den Augen. Damit er nicht allein ist beim Sterben.«
Alle drei traten an den sicheren Wegesrand. Tenga weinte wie ein Kind. Doch er tat, was Ngomane verlangt hatte, und sah seinen Bruder an.
Mbisi schrie noch immer. Seine Unterschenkel waren zu schwarzen Stöcken verbrannt; der ganze Körper qualmte, doch die Schreie hörten nicht auf. Sie gingen durch Mark und Bein, hatten sogar schon den Efranten verjagt. Wäre Ngomane allein mit dem Jungen gewesen, hätte er seinen Jagdspeer geschleudert und der Qual ein Ende bereitet. Aber vor Zeugen konnte der Banzulu-Fürst keinen Stammesangehörigen töten.
Plötzlich zischte eine Qualmsäule hoch, von Flammen durchsetzt. Der Boden brach, und Mbisi begann zu sinken. Er war verstummt, brannte lichterloh, wurde kerzengerade aufgerichtet immer kleiner. Als nur noch der Oberkörper aus dem Magma ragte, schossen zwei Feuerzungen aus den leeren Augenhöhlen. Im nächsten Moment war er verschwunden.
Tenga wandte sich ab, rannte ein paar Schritte und erbrach sich.
Ngomane sagte leise zu Dingiswayo: »Wenn wir den Waldrand erreichen, möchte ich, dass du mit Tenga dort lagerst! Ein Toter reicht, er muss sich die anderen nicht auch noch ansehen. Ich werde allein nach Kilmalie gehen.«
»Wann kommst du zurück?«
»Oh, spätestens bei Sonnenuntergang«, meinte Ngomane mit vorgetäuschter Sorglosigkeit. Er versuchte nicht mehr an die Worte der Geisterfrau zu denken. Es gelang ihm nicht.
***
Hunger!
Der Wunsch nach Nahrung war übermächtig.
Er wusste nicht, wie lange er hier gelegen hatte, aber er fühlte sich zu schwach, um weiter gegen das Gefühl des Hungers anzukämpfen. Er musste weg hier, Nahrung finden!
Dieser süße Geruch… es war wunderbar.
Nein, das darfst du nicht, Nabuu. Er stutzte. Warum sollte er nicht? Du bist krank, du wirst ein Gruh. Du darfst dem Hunger nicht nachgeben.
Aber der war so groß… Nur einmal Nahrung! Sie ist doch so nah!
Es würde wunderbar sein, diese Nahrung zu sich zu nehmen, die nur für ihn da war und auf ihn wartete…
Eine Bewegung unter ihrer Hand weckte Tala.
Sie fuhr hoch. Sie hatte bei Nabuu bleiben wollen. Wenn er wieder aufwachte, sollte er sehen, dass sie da war, bei ihm.
Doch er hatte die Augen nicht geöffnet und sich auch nicht geregt. Jetzt war es bis auf eine kleine Lampe mit Leuchtkäfern auf einem Regal gegenüber dem Bett dunkel, und Tala fragte sich, wie lange sie geschlafen hatte.
Sie hatte sich nur ein wenig ausruhen wollen und war erwacht, weil sein Körper unter ihr sich bewegt hatte.
»Nabuu!« Er sah sie direkt an.
Tala saß einen Moment wie versteinert. Er starrte sie weiter unverwandt an. Aber war das noch Nabuu? Dieser… Mann wirkte so fremd… Der Ausdruck in seinen Augen – was war das nur…? Ja, Gier war es, was sie in seinem starren Blick sehen konnte.
»Nabuu, ich bin’s, Tala!«, sagte sie verunsichert. »Du weißt doch, wer ich bin?«
»Tala«, wiederholte das Wesen vor ihr lallend. Das Wort schien keine Bedeutung für ihn zu haben. »Will essen!«
Tala starrte noch ein paar Sekunden auf Nabuu, der steif im Bett saß und sie mit dieser unverhohlenen Gier anstarrte.
Speichel rann aus seinem rechten Mundwinkel. Schließlich rief sie nach Dr. Aksela, doch es war nur François, der Pfleger, der die Tür zum Labor öffnete.
»Er ist wach«, sagte Tala überflüssigerweise, doch François hatte bereits gesehen, dass hier etwas nicht stimmte. Nabuu richtete seinen Blick jetzt auf den Pfleger, der mit zwei Schritten am Bett des Kranken war.
»Der Schlauch des Infusionsbeutels ist abgeknickt!«, sagte François beunruhigt und machte sich an der Apparatur zu schaffen. »Ich weiß nicht, wie lange schon, aber vielleicht ist er deshalb…«
Er wurde von einem wütenden Brüllen unterbrochen. Bevor die verwirrte Tala begriff, was hier vor sich ging, flog der Krankenpfleger bereits durch den Raum. Bewusstlos blieb er an der Wand liegen, vor die er geprallt war.
Entsetzt versuchte die Leibwächterin des Kaisers, ihren Freund aufzuhalten, doch der hatte sich bereits den Infusionsschlauch aus dem Arm gerissen und war aus dem Bett gesprungen. Tala wich entsetzt zurück, als Nabuu mit einem Sprung vor ihr stand.
»Nahrung! Muss essen…!« Knurrend blieb Nabuu vor Tala stehen, hob die Arme und sah mit blitzenden Augen auf sie herab.
Einen fürchterlichen Moment lang, in dem sie sich
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