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VT11 - Flammender Himmel

VT11 - Flammender Himmel

Titel: VT11 - Flammender Himmel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Kern und Stephanie Seidel
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vorbei und wischte ihn weg.
    Tenga schmatzte mit den Lippen und pupste verhalten, während der Tausendfüßler unverrichteter Dinge im Gras verschwand. Er und andere Bodenbewohner liebten menschliche Wärme. Wer sich nicht in Acht nahm, fand am Morgen leicht den einen oder anderen Untermieter in seiner Ohrmuschel wieder, wobei ein Tausendfüßler noch das kleinste Übel war.
    Nandi riss ihre Hand hoch und schüttelte sie heftig, als sie die haarige Spinne auf ihren Fingern bemerkte.
    »Keine Sorge«, sagte Ngomane ruhig. »Sie wird dich nicht beißen.«
    Der Banzulu-Fürst hockte am Rande der Lichtung, den Jagdspeer aufgestützt, hellwach. Er lächelte. »Wie fühlst du dich?«
    »Gut«, piepste Nandi.
    »Und dein Arm?«
    Ihr Gesicht verfinsterte sich schlagartig. »Tut weh!«
    Ngomane barg den Kopf in der Armbeuge, um sein Lachen zu verstecken. Nandi hatte gar nicht mehr an den ausgebrannten Frakkenbiss gedacht! Hätte er sie nicht darauf angesprochen, würden ihn jetzt nicht solche Blicke treffen. Wahrscheinlich wünschte sie ihm Läuse ins Haar!
    Ngomane nickte schmunzelnd. Er kannte das alles. Sein Sohn UmLilwane[1] war mit fünf Jahren auch nicht anders gewesen. Inzwischen war er zwölf und schon ein richtiger Mann!
    »Das umutsha-Fest!« Ngomane stand auf. Fast hätte er sich vor die Stirn geschlagen. Da hatte er doch tatsächlich über Nacht etwas vergessen, das ihm gestern noch viel bedeutet hatte und ihm vorgestern sogar den lebensgefährlichen Kampf gegen ein Raubtier wert gewesen war!
    Das umutsha-Fest war eine uralte Banzulu-Tradition. Es fand einmal jährlich in kwaBulawayo statt, nach dem Abzug der Frakken. Knaben, die die Pubertät erreicht hatten, erhielten dabei aus Ngomanes Hand ihren ersten Lendenschurz. Die Kinder der Banzulu waren traditionell nackt, und dieses Fest wurde von jungen Teenagern heiß herbeigesehnt. Schließlich trennte sie der umutsha für alle sichtbar von den Kleinen und der Kindheit.
    Ngomane trat auf das taufeuchte Gras der Lichtung, näherte sich Dingiswayo und Tenga. Sie schliefen. Selbst die leise Unterhaltung mit Nandi hatte sie nicht geweckt. Es war keine Nachlässigkeit – die beiden Jäger, besonders der Erste, hatten sich schon oft bewährt. Aber sie wussten, dass ihr Nkosi Wache hielt, sie vertrauten ihm, legten ihr Leben in seine Hände.
    Trotzdem sollten sie sich hin und wieder ins Gedächtnis rufen, dass der Wald ohne Namen ein gefährlicher Ort war. Ngomane legte seinen Kopf zurück und stieß ein täuschend echtes, gellendes Hyänengelächter aus. Als es verklang, standen die beiden auf den Füßen, Jagdspeere in der Hand, sichernd.
    »Es wird hell. Wir brechen auf«, sagte der Banzulu-Fürst, winkte Nandi zu sich und ging los.
    Für den Heimweg wählte Ngomane eine andere Route als die gestrige Abkürzung über den gefährlichen Felsengrund, auf dem Tengas Bruder ums Leben gekommen war. Es dauerte länger, nach kwaBulawayo zu kommen, wenn man den Wildpfaden folgte, aber das Gelände war leichter zu bewältigen. Nandi konnte hier selber laufen und musste nicht getragen werden.
    Das Mädchen wirkte gelöster und weniger verschreckt als am Vortag. Es plapperte unentwegt, suchte die Baumwipfel nach Meerkatzen ab und klatschte in die Hände, wenn es eins der großäugigen Plüschbällchen erspähte. An lichten Bodenstellen wuchsen Orchideen. Keine halbe Stunde, dann hatte Nandi einen ganzen Strauß gepflückt. Sie schleppte ihn mehr, als dass sie ihn trug – und er war vergessen, als zwei schillernde Prachtfalter vorbei tanzten. Nandi rannte hinter ihnen her, eine Fährte aus erschlaffenden Blüten hinter sich lassend.
    Nirgends sonst trat der Unterschied zwischen dem Bauernkind aus Kilmalie und den Männern aus kwaBulawayo deutlicher zutage als hier, in der Tiefe des Waldes. Die Banzulu bewegten sich schweigend durch das lianenverhangene grüne Reich. Sie achteten darauf, wohin sie traten, und es wäre ihnen nie in den Sinn gekommen, unbekannte Gewächse zu pflücken. Es gab nicht nur giftige Pflanzen im Wald. Manche waren auch Fleischfresser – oder wurden von solchen bewohnt.
    Als der Pfad eine Graslichtung kreuzte, rief Ngomane das Mädchen zurück. Zwischen Gräsern und Kräutern plätscherte ein Wildbach dahin. Man sah ihn nicht, man hörte ihn nur, und es konnte durchaus sein, dass er irgendwo hinter dem undurchdringlichen Gestrüpp der Buschwinden und Palmenschößlinge in eine Tränke mündete. Noch lag Morgendunst über dem Wald, und zu dieser frühen

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