VT11 - Flammender Himmel
aufzupicken. Mambotu musste würgen, als sein Blick auf den mit einer grauroten Masse verschmierten Schnabel des Tiers fiel. Immer und immer wieder stieß er damit in den geöffneten Kopf des Schwans unter ihm.
Mambotus Beine knickten unter ihm weg; er spürte kaum, wie er sich zu Füßen seines Kollegen erbrach.
Baptiste packte ihn an den Schultern. »Los! Sag, was passiert ist!«
Als Mambotu stattdessen nur weiter würgte, ließ Baptiste ihn stehen und machte sich, das zur Schleife gebundene Seil in der Hand, wieder vorsichtig an den Vogel heran.
»Nein, nicht! Ich sagte doch, geh nicht hin, Baptiste!« Mambotus Schrei klang so entsetzt, dass Baptiste sich unwillkürlich umdrehte.
In gleichen Moment hörte er direkt neben seinem rechten Ohr ein hohes Zischen.
Er drehte den Kopf. Etwas raste ihm entgegen. Dunkle Augen starrten ihn an. Er schrie.
***
Prinz Akfat bewunderte sich selbst im Spiegel.
Nein, es war nicht falsch gewesen, dem Schneider seiner Schwester einen Gehilfen abzuschwatzen.
Was für einen bezaubernden Farbton sein Anzug doch hatte! Dieses Rosa erinnerte ihn an die satte Farbe, den der Schnee auf dem Kilmaaro anzunehmen pflegte, wenn die Sonne dahinter unterging. Nun, und dass dieser Schnee nach dem Ausbruch des Vulkans nicht mehr existierte, war auch kein Schaden. Es war sogar umso besser, denn immerhin war sein Anzug jetzt etwas Einzigartiges. Nichts sonst im ganzen Reich besaß diese Farbe.
Mitten in seine Gedanken klang von draußen Lärm in die Gemächer des Prinzen.
Akfat stöhnte auf. Man hatte in so einer Soldatenstadt wirklich keine Sekunde Ruhe. Wie sehr wünschte er sich weg von hier! Er hätte liebend gern eine andere Wolkenstadt übernommen, eine einfache, unkomplizierte, ohne viel Militär und dieses ständige Rumgeschreie, dafür aber mit schönen Parks, Palästen, Schneidern, guten Köchen und vor allem stillem Personal, das nicht ständig die Hacken zusammenschlug und alle Antworten zu brüllen schien.
Er versuchte sich wieder auf sein Spiegelbild zu konzentrieren, doch vergeblich. Es wurde zu laut.
Dabei hatte er doch kein Manöver angesetzt. Hätte ich das vielleicht tun sollen?, dachte er. Doch dann schüttelte er den Kopf und klatschte in die Hände. Sein Adjutant erschien.
»Geht nachsehen, was da draußen diesen Lärm verursacht!«, näselte Akfat. »Wir wollten uns bis heute Abend, bis wir bei Orleans-à-l’Hauteur ankommen, noch der Ruhe hingeben und auf die große Schlacht vorbereiten. Man sollte doch glauben, dass es den Mannschaften ebenso ergeht. Was soll also der Lärm? – Was steht er da noch herum? Vite, vite!«
Der Adjutant verschwand.
Der Prinz drehte und wendete sich vor dem Spiegel. Ja, sein Vater konnte stolz auf ihn sein. Noch einen halben Tag, dann war er wieder in der Stadt seiner Schwester Marie und konnte ihr noch ein wenig über guten Geschmack beibringen. Sie war in seinen Augen viel zu burschikos geraten, nicht so schöngeistig wie Antoinette und – Gott hab sie selig – Prinzessin Lourdes.
Der Prinz verlor sich in seinen Tagträumen. Ein Poltern riss ihn zurück in die Wirklichkeit. Der Adjutant war zurück.
»Eure Excellenz! Eure Excellenz, es ist… es ist so schrecklich!«
Akfat zog eine grimmige Miene. »Was soll das? Was erschreckt ihr mich so?«
»Eure Excellenz, einer der Witveer! Der Vogel spielt völlig verrückt! Kommt, ihr müsst uns beistehen, ihn zu bezwingen!«
Akfat winkte ab. »Der Hauptmann soll sich damit befassen.«
»Hauptmann Bambooto ist bereits auf dem Weg, aber ihr wärt schneller da als er! Ihr müsst den Soldaten befehlen!«
Akfat wurde blass. Das hatte ihm gerade noch gefehlt. Ein verrückt gewordener Witveer! Aber dann riss er sich zusammen. Er war ein Prinz. Was hatte ein Tier ihm schon entgegenzusetzen? Er würde allen zeigen, wie Standfestigkeit und gute Erziehung den Charakter formten und auch in Notsituationen für ruhiges und besonnenes Handeln sorgten.
Er war schließlich hier der Oberbefehlshaber, und nicht dieser ungebildete, geschmacklose Bauer Bambooto.
***
Trümmer, Lärm, aufgeregt durcheinander laufende Soldaten und ihre Helfer. Die Spur der Verwüstung zog sich bereits über den gesamten Plattformabschnitt.
Hauptmann Bambooto fluchte leise bei dem Anblick der Trümmer und der Leichen. Gestern der Absturz der Dampfdruckkanone, heute ein wild gewordener Witveer… Was kam wohl als Nächstes? Ach ja, erinnerte er sich sarkastisch. Morgen sind die Monster dran. Brest-à-l’Hauteur ist
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