Vulkanpark
ein wenig mehr. Seit einem Jahr
kannte er Britta. Während einer Jugendfreizeit hatten sie sich kennengelernt,
und er hatte sich sofort in sie verliebt, allerdings hatte sie damals nur Augen
für einen anderen Jungen gehabt, von dem er glaubte, dass er der Vater ihres
Kindes war. Insgeheim war er froh, dass diese Liaison auseinanderging und somit
der Weg frei war für ihn. Nie war ihm Britta schöner erschienen als jetzt.
Sie
wühlte in ihrer Handtasche und fischte eine Zigarette aus der Packung. Sofort
schlug seine Stimmung um. Mit Unbehagen beobachtete er, wie sie sie anzündete
und einen tiefen Zug nahm.
»Britta,
meinst du nicht, es wäre besser, mit dem Rauchen aufzuhören? Das schadet dem
Kind.« Der Vorwurf in seiner Stimme war nicht zu überhören.
»Weiß
ich doch.« Sie ließ sich wieder neben ihn auf das Bett fallen. »Ich will ja
auch aufhören. Ganz bestimmt. Jetzt beginnt ein neues Leben. Da muss man mit
den alten Gewohnheiten brechen. Ich werde ganz viel ändern müssen.«
Sie
inhalierte einen weiteren tiefen Zug und tippte ihm lächelnd auf die
Nasenspitze. »Schau doch nicht so skeptisch. Ich meine es ernst.«
»Ich
glaub dir ja.« Er beobachtete, wie sie hastig weiterrauchte und sich suchend
nach einem Aschenbecher umsah, den es in seinem Zimmer natürlich nicht gab. Ihr
Blick fiel auf ein Tellerchen, das er aus irgendeinem Urlaub als Souvenir
mitgebracht hatte. Sie stand auf und drückte den Zigarettenstummel darin aus.
Dann ließ sie sich wieder neben ihn fallen und schmiegte sich an ihn. »Willst
du wirklich bei mir bleiben?«, fragte sie schmeichelnd und blinzelte. Ihre
Wimpern kitzelten seine Wange. »Ist es dir wirklich ernst damit? Ich meine … «
»Ich
hab dir was versprochen, und Versprechen muss man halten, hat man mir zumindest
so beigebracht.« Er nahm sie in die Arme und küsste sie. Ganz lang. Obwohl sie
geraucht hatte, schmeckte dieser Kuss nach etwas Eigenem. Er hatte das Gefühl
zu schweben. Bis in die Zehenspitzen spürte er diesen Kuss. Das konnte gar
nichts anderes als Liebe sein. So etwas hatte er noch nie erlebt.
»Und du
bist kein bisschen eifersüchtig? Dass die Kleine nicht von dir ist?«, fragte
sie zwischendurch mit weicher Stimme.
Er
schüttelte den Kopf und streichelte ihren nackten Arm. »Das war doch, bevor wir
uns ineinander verliebten. Wäre das früher passiert, wäre ich der Vater.« In seinem
Hinterkopf meldete sich eine warnende Stimme, die er zu ignorieren versuchte:
Du wärst vorsichtig gewesen. Deine Eltern haben dir oft genug erklärt, wie
Kinder entstehen und dass es nicht so weit kommen muss, wenn man einen klaren
Kopf behält. Aber er konnte gut verstehen, dass man bei Brittas Anblick den
Verstand verlor.
»Du
bist so lieb zu mir und dem Wurm da drin.« Sie legte die Hände auf ihren Bauch.
Er sah, dass ihre Fingernägel eingerissen waren und der schwarze Lack darauf
abblätterte. Ihre helle Haut wirkte wie durchsichtig. Sie sah so zerbrechlich
aus. So verwundbar. Er spürte den ganz starken Wunsch, sie zu beschützen.
Britta
hatte nicht so viel Glück gehabt wie er. Seine Freundin war im Heim
aufgewachsen. Dieses Schicksal wäre ihm ebenfalls widerfahren, wenn er nicht
von seinen Eltern adoptiert worden wäre. Er spürte, dass er viel Liebe in sich
hatte. Er glaubte fest daran, dass derjenige, der viel Liebe bekam, auch viel
Liebe geben konnte.
»Weißt
du eigentlich etwas über deine leiblichen Eltern?«, fragte sie nach einer
Weile.
»Nicht
viel. Sie interessieren mich auch nicht. Ich hab sie ja auch nicht
interessiert.« Er wollte dieses Thema nicht vertiefen, nicht jetzt.
Sie
legte sich auf den Rücken und starrte zur Decke. »Meine Erzeuger sind Suffköppe,
alle beide. Samstags sind sie durch die Kneipen gezogen, und ich bin weiß Gott
wie oft los und sie suchen gegangen. Weißt du, wie man sich fühlt als Kind,
wenn man seine Eltern in irgendwelchen Spelunken suchen muss? Wenn ich sie
gefunden hatte, musste ich an glotzenden und grapschenden Männern vorbei. Und
dann saßen die zwei in einer Ecke, die Gesichter verzerrt, die Haare wirr im
Gesicht und lallten einen Scheiß … Und
dann die Sonntage. Ich hätte mir so gewünscht, dass meine Eltern mit mir
spielen, einfach für mich da sind, aber sie mussten ja ihren Rausch
ausschlafen. Und wenn sie dann wach wurden, haben sie gestritten wie die
Kesselflicker. Gekocht wurde nichts. Da bin ich öfter zur Nachbarin rüber. Die
hat schließlich veranlasst, dass ich ins Heim kam.« Brittas
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