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Vulkanpark

Vulkanpark

Titel: Vulkanpark Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriele Keiser
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Worten aufforderte, kurz mit ihr vor die Tür zu kommen. Überrascht
folgte er ihr.
    »Bei
allem Verständnis. Aber so geht das nicht. Das, was du hier machst, ist
vollkommen unprofessionell und widerspricht allem, was man dir jemals
beigebracht hat«, sagte sie in einigermaßen ruhigem Ton.
    »Dieses
Sex-Schwein lügt doch, wenn er nur den Mund aufmacht«, entgegnete er
aufgebracht und fuchtelte wild mit den Händen. »Wir sind viel zu lasch im
Umgang mit solchen Typen. Immer schön mit Samthandschuhen anfassen, ja? Auch
wenn er eine noch so große Schweinerei begangen hat.« Sein Gesicht begann sich
zu röten, seine Augen blitzten.
    »Du
weißt doch so gut wie ich, dass das überhaupt nichts bringt«, wandte sie in
ruhigem Tonfall ein. »Er hat wie jeder andere das Recht, anständig behandelt zu
werden. Solange wir ihm nichts beweisen können, gilt er als unschuldig.«
    »Unschuldig!«
Theatralisch schnappte er nach Luft und reckte das Kinn vor. »Der ist so
unschuldig wie der Teufel.«
    Brocks
Augen funkelten zornig. Sein Gesicht rötete sich immer mehr. Er sollte mal
seinen Blutdruck messen lassen, dachte Franca. Es war wirklich verwunderlich,
wie leicht der früher so besonnene Kommissar in letzter Zeit aus der Ruhe zu
bringen war. Einige Kollegen hatten sich bereits über seine unbeherrschten
Ausbrüche beschwert. Als sie ihn so vor sich sah, verstand sie, warum ihm
manche Kollegen den Spitznamen Kotzbrocken gegeben hatten.
    »Dann
mach du doch weiter, wenn du es besser kannst«, zischte er mit hochrotem
Gesicht.

19
     
    Beide Eltern saßen auf dem
Sofa, versteinert vor Anspannung. Jeder für sich gefangen in seinem Schmerz.
    Franca
tat der Blick in das verquollene Gesicht von Barbara Sielacks im Herzen weh.
Mit ihrer schmalen Figur und der von roten Flecken übersäten blassen Haut
wirkte sie sehr zerbrechlich. Ganz anders dagegen ihr Mann. Er war groß und
muskulös und braun gebrannt. Wem der Sohn wohl mehr ähnelte?
    Seit
Timos Verschwinden wurde alles getan, um den Jungen aufzufinden.
Fährtensuchhunde sollten etwaige Geruchsspuren aufnehmen, sogar Staffeln aus
anderen Bundesländern hatten Verstärkung geschickt. Bundeswehr-Tornados
überflogen das Gebiet und suchten mit Wärmebildkameras die Umgebung rund um den
Bolzplatz ab. Beamten hielten Fahrzeuge an und durchsuchten Kofferräume.
    »Jedes
Mal, wenn das Telefon klingelt, bleibt mir fast das Herz stehen«, flüsterte
Barbara Sielacks. »Obwohl … « Sie sprach ihre Befürchtung nicht aus.
    »Viele
Kinder tauchen nach kurzer Zeit wieder auf«, versuchte Franca zu trösten.
Gleichzeitig dachte sie daran, dass die ersten Tage zählten, wenn ein Kind
unter 14 Jahren verschwand. Danach sanken die Aussichten dramatisch, es
unversehrt zu finden. Nicht immer musste es sich um ein Verbrechen handeln,
einige verunglückten auch. Doch das würde den Eltern kein Trost sein.
    »Timo
ist couragiert. Ich hab ihm beigebracht, sich zu wehren, wenn er angegriffen
wird«, tönte der Vater. Sein von vielen Falten durchzogenes Gesicht hatte etwas
Verlebtes, was einen merkwürdigen Kontrast zu seinem fitnessgestählten Körper
bildete. Unter seinen Augen, die leicht aus den Höhlen hervortraten, hingen
Tränensäcke. Franca meinte zu erkennen, dass sein dunkles, schütteres Haar
gefärbt war. »Mein Sohn ist keine Memme.«
    »Wer
weiß, was die jetzt mit ihm machen«, flüsterte Barbara Sielacks und richtete
einen flehenden Blick auf Franca. »Ich hab überlegt, zu einer Hellseherin zu
gehen. Vielleicht kann die weiterhelfen.«
    »Red
doch nicht solchen Quatsch«, fuhr ihr Mann sie in scharfem Tonfall an. »Das ist
ja wohl das Allerletzte.«
    Wie ein
geprügelter Hund fiel Barbara Sielacks in sich zusammen und ließ den Kopf
hängen.
    »Ich
würde allerdings auch davon abraten«, ließ sich Hinterhuber vernehmen. »Solche
Scharlatanerie ist unverantwortlich und weckt nur falsche Hoffnungen. Das hat
es leider noch nie gegeben, dass ein vermisstes Kind von einer Wahrsagerin
wiedergefunden wurde.«
    Franca
nickte bestätigend. Sie war immer wieder verwundert, welches Vertrauen die
Menschen in solche fragwürdigen Methoden setzten. Sie fühlte sich an Clarissas
Vorschlag erinnert, die kleine Lara Weisglas in Hypnose zu versetzen. Ein
Ansinnen, das nicht nur sie, sondern auch Frau Dr. Schiller energisch
zurückgewiesen hatte.
    Im
Grunde war sie froh, dass Hinterhuber sie begleitete. Solche Aufgaben gehörten
zu den unangenehmsten ihres Berufes: quälende Gespräche mit

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