Vulkanpark
Eltern, deren Kind
vermisst gemeldet war, und die sich an jeden Strohhalm klammerten.
»Wir
werden die Bevölkerung um Mithilfe bitten und Flyer und Plakate drucken.«
Franca sprach leise und voller Mitgefühl. »Haben Sie ein Foto, das wir benutzen
dürfen?«
Frau
Sielacks erhob sich wie in Trance, zog eine Schublade auf und entnahm ihr einen
Umschlag. »Das ist vor ein paar Wochen aufgenommen worden.« Sie legte Franca
ein Foto vor, das einen lachenden Jungen an einem Wasserlauf zeigte. Die dunklen
Haare trug er modisch schräg ins Gesicht gekämmt.
»Dann
bräuchten wir noch Angaben über Timos Kleidung.«
»Er
trug abgeschnittene hellblaue Jeans mit ausgefransten Beinen und ein weißes
T-Shirt mit der Aufschrift ›Champion‹«. Barbara Sielacks hielt sich die Hand
vor den Mund. Schluckte. Dann fuhr sie fort. »Und eine lila Kappe mit den
Buchstaben ›JB‹ für Justin Bieber. Für den hat er geschwärmt. Sie sehen ja, die
Haare hat er sich gekämmt wie dieser Sänger. Er hat alle seine CDs. Die hat er
auf seinen MP3-Player überspielt, damit er sie überall hören kann.«
»Das
ist auch so eine Marotte«, sagte der Mann. Es war deutlich, was er von dieser
Marotte hielt.
»Können
Sie uns den genauen Ablauf des gestrigen Abends schildern?«, fuhr Franca
sachlich fort.
»Timo war
mit seinem Mountainbike auf dem Bolzplatz, dort ist er fast jeden Abend,
besonders jetzt in den Ferien. Der ist nur gute zehn Minuten mit dem Fahrrad
von hier entfernt. Mein Bruder war hier und wollte sich zusammen mit meinem
Mann ein Fußballspiel im Fernsehen anschauen.« Barbara Sielacks sprach leise
und monoton.
»Wollte
Timo nicht auch das Match sehen?«, fragte Hinterhuber.
»Er hat
lieber selbst gespielt als das im Fernsehen geschaut.«
»Also,
Sie beide und Ihr Bruder saßen gestern Abend im Wohnzimmer und schauten fern«,
hielt Franca fest.
»Nein,
mein Bruder saß allein im Wohnzimmer. Mein Mann kam erst später nach Hause.«
Anklagend sah Frau Sielacks auf ihren Mann. Der richtete sich stocksteif auf.
Seine Miene verhärtete sich.
Franca
wurde hellhörig. »Wann genau kamen Sie denn nach Hause?«, wandte sie sich an
ihn.
»So um
neun war es, glaube ich.« Heinrich Sielacks blinzelte argwöhnisch.
»Es war
später. Das Fußballspiel war schon zu Ende«, berichtigte seine Frau. »Und es
wurde schon dunkel.«
»Was
soll das?«, herrschte er seine Frau an und zu den Polizisten gewandt knurrte
er: »Sie wollen doch wohl nicht mich verdächtigen?«
»Sagen
Sie uns einfach, wo Sie waren. Wenn Ihr Alibi in Ordnung ist, dann behelligen
wir Sie deswegen nicht weiter.«
»Alibi?
Das gibt’s ja wohl nicht. Also jetzt hört sich aber alles auf.« Heinrich
Sielacks schüttelte voller Unverständnis den Kopf.
»Du
kannst ruhig zugeben, dass du eine Freundin hast«, sagte die Frau tonlos. »Ich
weiß es sowieso längst.«
»Du
hast sie ja wohl nicht alle. Nur weil ich nicht pünktlich war, heißt das noch
lang nicht, dass … ach, das ist mir alles zu blöd.« Der Mann sprang vom Sofa auf und
lief türknallend aus dem Zimmer.
Die
Frau begann haltlos zu weinen. »Nichts ist mehr, wie es mal war«, sagte sie.
»Aber das war schon lange, bevor Timo … «
schluchzend brach sie zusammen.
»Scheint ja nicht alles zum
Besten zu stehen mit dem Familienfrieden«, sagte Hinterhuber, als sie ins Auto
stiegen. »Vielleicht ist Timo von sich aus weggelaufen. Weil er diesen Zoff
nicht mehr aushielt.«
»Mir
geht was ganz anderes durch den Kopf: Wenn der Junge fast täglich auf dem
Bolzplatz war, ist er womöglich beobachtet und ausspioniert worden«, sinnierte
Franca.
»Du
hältst also ein Verbrechen auch für wahrscheinlicher als alles andere«, konstatierte
Hinterhuber.
Sie
bogen auf den von Barbara Sielacks beschriebenen Wirtschaftsweg ab. Wenige
Minuten später erreichten sie den Bolzplatz. Der Lärmpegel zeugte von einem
fröhlichen Spiel. »Schieß doch endlich«, rief einer der Jungs. Einer fiel hin.
Zwei andere warteten in Lauerstellung in den einander gegenüberliegenden
Aluminiumtoren. Die Kinder waren verschwitzt. Auch ein paar Mädchen spielten
mit.
Ein
Junge in einem gelben Fußballtrikot lief an den Platzrand und zog eine Flasche
Wasser aus einem Rucksack, setzte sie an die Lippen und trank gierig. Franca
trat auf ihn zu.
»Darf
ich dich mal was fragen?«
Der
Kopf des Jungen schnellte herum. Dann sah er zum Feld, wo seine Kameraden
hinter dem Ball herhetzten.
»Gleich.
Ich muss wieder zurück. Die anderen
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