Vulkanpark
sich wieder ein. Aber ich finde, er soll
wissen, dass wir als seine Eltern ihn nicht sehenden Auges ins Verderben rennen
lassen. Wir haben schließlich einen Erziehungsauftrag, den wir weiterhin sehr
ernst nehmen sollten. Andererseits müssen wir lernen, die Verantwortung für das
Leben unseres Sohnes nach und nach abzugeben.«
Sie hob
die Augenbrauen. »Jetzt redest du wie ein Pfarrer.«
»Was
Wunder, wo ich doch einer bin.« Er sah Andrea an und begann zu lachen. Prustend
fiel sie in sein Lachen ein.
»Waren
wir wirklich anders in dem Alter?«, sagte er nach einer Weile.
»Ich
glaube nicht«, sie lächelte mit schmerzlich verzogenem Gesicht. »Ich war
ziemlich biestig zu meiner Mutter. Wie hat mir das leidgetan, als ich wieder
klar denken konnte. Ich glaube, ich hab mich tausend Mal bei ihr entschuldigt.«
Rainer
nickte. »Ich hatte auch nicht immer nur heilige Gedanken. Da müssen wir jetzt
durch, hilft alles nichts.«
»Jetzt
musst du zur Abwechslung mal für die Seele deines eigenen Kindes sorgen und nicht
immer nur für die fremder Leute«, meinte sie mit einem Augenzwinkern.
25
Die Krone der Schöpfung.
Das Schwein, der Mensch, dachte Tobias Gärtner, als er die
dümpelnde Müllansammlung vor einem querliegenden Baumstamm im Flusslauf der
Nette betrachtete. Da hatte man die schönste Natur vor der Haustür und hatte
offenbar nichts Besseres zu tun, als diese zu verschandeln. Es war ihm ein
Rätsel, ob aus Mutwillen oder aus Gedankenlosigkeit. Nicht nur hier im
Naturschutzgebiet Rauscherpark, auch an den Straßenrändern stach ihm
allenthalben der Abfall der Wohlstandsgesellschaft ins Auge. Unglaublich, was
sich da alles ansammelte: verbeulte Getränkedosen, zerrupfte Plastiktüten,
Bierflaschen, Taschentücher, Zigarettenkippen sowie deren Verpackungen und auch
das eine oder andere benutzte Kondom. Die ganze Palette dessen, wessen sich der
Mensch entledigen wollte, sammelte sich an bestimmten Stellen zu langsam
wachsenden Haufen und mutierte zu regelrechten Müllkippen.
Weg mit
dem Zeug und nach mir die Sintflut. Rücksichtslos und dreist war das.
Wahrscheinlich waren das dieselben Zeitgenossen, die ihr Auto jeden Samstag mit
Hingabe einer Waschorgie unterzogen.
Er
fragte sich, was für eine Erziehung diese Menschen genossen hatten. Ob die
keine Eltern gehabt hatten, die sie darauf hinwiesen, dass sich so was einfach
nicht gehörte?
Seine
Eltern engagierten sich für den Nabu , den Naturschutzbund sowie für den
Verband der Naturfreunde, und lebten ihren Kindern ökologisches und
umweltfreundliches Verhalten vor, das ihm in Fleisch und Blut übergegangen war.
Die Gärtners wählten selbstverständlich Grün, waren gegen Atomkraftwerke und
hatten zu den Vorreitern der Renaturierung der Nette gehört.
Mit
Recht konnten sie stolz darauf sein, dass seit ihrer hartnäckigen Initiative in
dem Lauf des wie ein Gebirgsbach anmutenden Flüsschens wieder Lachse heimisch
waren. Deren eigentlicher Lebensraum ist zwar der Atlantik, aber im Spätherbst
ziehen die Fische die Flüsse hinauf, um zu laichen. So kommen sie durch den
Rhein bis zur Nette, deren Durchgängigkeit für Wanderfische jetzt wieder
gewährleistet ist. Auch sonst wurden die Bemühungen und das Engagement der
Naturfreunde belohnt. Im Jahr 2009 war die Nette zur Flusslandschaft des Jahres
gekürt worden, und der Verband tat sein Bestes, das Umweltbewusstsein
wachzuhalten und regelmäßige Säuberungsaktionen durchzuführen.
Der
Rauscherpark bei Plaidt war Tobias Gärtners Revier, das er oft bei
Erkundungsgängen durchstreifte. Im Laufe der Jahrtausende waren tonnenschwere
Basaltbrocken freigespült worden, die verstreut im Flussbett lagen, und um die
sich das reißende Wasser in kleinen Kaskaden seinen Weg bahnte. Mit Besorgnis
betrachtete er das üppig wuchernde Indische Springkraut an beiden Ufern. Es
stammte aus dem Himalaja und seine rosa Blüten sahen zwar hübsch aus, aber es
breitete sich immer mehr aus und bedrohte somit das einheimische Ökosystem mit
dessen Artenvielfalt.
Noch
waren hier Wasseramseln, Mandarinenten und Kanadagänse heimisch. Letztens hatte
er sogar einen Eisvogel beobachtet, ein eher seltener Anblick.
Wenn
sich Schulklassen angemeldet hatten, die Kinder mit Eimerchen, Sieb und Lupe
kamen, um zusammen mit ihren Lehrern Gewässerproben zu entnehmen, war er ihnen
kundiger Begleiter. Leicht zugängliche Stellen gab es viele am Ufer der Nette.
Wenn die Schüler voller Eifer ihre Experimentiergläser mit
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