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Vulkanpark

Vulkanpark

Titel: Vulkanpark Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriele Keiser
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interessanten
Inhalten füllten und dies stolz ihren Lehrern zeigten, fühlte er sich daran
erinnert, wie er selbst Flohkrebse, Wasserasseln oder Schlammschnecken
begutachtet hatte, ehe er sie wieder ihrem natürlichen Lebensraum zurückführte.
Die Natur fühlen und mit allen Sinnen erleben hielt er noch immer für eine der
besten Lehrmethoden, da trug er gern seinen Teil dazu bei, wenn seine Zeit es
erlaubte.
    Bei
diesen Exkursionen erzählte er den Kindern schmunzelnd von den beiden Kobolden
Netterich und Hummerich, die allerlei Unsinn trieben und zeigte ihnen den
riesigen moosüberwachsenen ›Wunschstein‹, in dem römische Steinhauer ihre
Spuren hinterlassen hatten. Legte man seine Hände in zwei der Keiltaschen
genannten Einbuchtungen, durfte man sich etwas wünschen. »Aber nur wenn der
Geist im Stein gut gelaunt ist, geht der Wunsch in Erfüllung, ansonsten muss
man es noch einmal versuchen«, erklärte er augenzwinkernd den Kindern.
    In der
Nacht hatte es geregnet, die Sonne ließ die Wassertropfen auf den sattgrünen
Blättern der Laubbäume blinken, die das Ufer der Nette säumten. Die Luft roch
feucht und ein wenig modrig. Das ständige Wasserrauschen bildete einen
beruhigenden Geräuschpegel.
    Beim
letzten Sturm waren etliche Bäume entwurzelt worden.
    Mit
Missfallen sah Tobias auf den Buchenstamm, der quer über dem Flussbett lag.
Allein würde er hier nichts ausrichten können. Da musste man später mit der
Kettensäge ran. Aber erst wollte er den Müll beseitigen, der sich vor dem Stamm
angestaut hatte.
    Da lag
doch tatsächlich ein großer schwarzer Müllbeutel im Flussbett. Hatten denn die
Leute zu Hause keine Mülltonnen? In seinen Gummistiefeln trat er ein paar
Schritte ins Wasser, doch er bekam den Sack nicht richtig zu fassen. Er nahm
einen abgebrochenen Ast zu Hilfe und versuchte, den Plastiksack näher zu sich
heran ans Ufer zu ziehen.
    Die
Verschnürung löste sich. Etwas dunkel Glänzendes lugte hervor. Wie der Pelz
eines Tiers. Sollte das etwa eine tote Ratte … ? Wäre
sie lebendig, wäre sie schon längst herausgeschlüpft, doch es rührte sich
nichts. Mit aller Kraft hielt er den Sack, der ziemlich schwer war und den die
Strömung wegzuzerren drohte, mit dem Stock fest. Unwillkürlich dachte er an das
Gedicht von Gottfried Benn. ›Schöne Jugend‹, hieß es. Kein Poem für zarte
Seelen, wie der Titel auf den ersten Blick vermuten ließe. Aber ihm hatte es
gefallen. Wie überhaupt die Sammlung ›Morgue‹, was soviel bedeutete wie
Leichenschauhaus. Er bewunderte Benn, dem als Arzt der Tod vertraut war, und
der das Sterben von einer ganz anderen Seite betrachtete.
    Ach,
wie die kleinen Schnauzen quietschten . Dieser Satz war Tobias am
deutlichsten in Erinnerung. Merkwürdig. Wieso dachte er gerade jetzt an dieses
Benn-Gedicht?
    Endlich
war es ihm gelungen, den schwarzen Müllsack ans Ufer zu ziehen. Vorsichtig
öffnete er das Plastik und schob es ein wenig beiseite. Was er sah, war keine
tote Ratte. Er riss die Augen auf und konnte nicht verhindern, dass ihm ein
lauter Schrei entfuhr. Er ließ alles stehen und liegen und rannte so schnell er
konnte davon.

26
     
    »Okay, wir sind gleich da.«
Franca sah Clarissa mit ernster Miene an und legte den Hörer auf. »Sie haben
was gefunden. In der Nähe der Rauschermühle. Hinterhuber ist schon vor Ort.«
    »Ich
weiß, die liegt zwischen Plaidt und Saffig. Ich kenn mich da aus«, antwortete
die Jungkommissarin. »In dem Gebäude ist ein Infozentrum über den Vulkanpark.
Dort ist auch ein Künstleratelier. Da hab ich an einem Malkurs teilgenommen.«
    »Ist
das nicht direkt neben dem RWE?«
    »Genau.«
    Sie
liefen nebeneinander her in die Tiefgarage. Franca schloss den Dienstwagen auf
und setzte sich ans Steuer.
    Clarissa
nahm auf dem Beifahrersitz Platz. »Glaubst du, es ist der vermisste Junge?«,
fragte sie leise.
    Franca
hob die Schultern. Noch konnte sie klare Visionen ausblenden, die sie
wahrscheinlich am Tatort erwarteten. Die Fahrt verlief schweigend.
    Franca
verließ die A61 bei der Ausfahrt Plaidt und folgte dem Wegweiser zum
Infozentrum Vulkanpark. Das gelb gestrichene Haus befand sich direkt neben den
Gebäuden des Energieversorgers RWE. Davor standen bereits einige
Polizeifahrzeuge. Clarissa und sie stiegen aus und liefen ein Stück den
Wanderweg entlang, wie Hinterhuber beschrieben hatte. Zeichen an den Bäumen
teilten mit, dass es sich hier um einen der Eifel-Traumpfade handelte.
Sonnenlicht schimmerte grüngolden durch

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