Vulkanpark
würde es alles noch schlimmer machen.
Sie
fragte Hinterhuber um Rat.
»Das
kannst du nicht machen. Die bricht vollends zusammen. Sag ihr, die Interna
dürften nicht herausgegeben werden.«
»Aber
sie hat mich drum gebeten.«
»Trotzdem.
Ich würde es nicht tun. Die Frau will hören, dass ihr Kind nicht gelitten hat.
Also sei barmherzig und erfülle ihr diesen Wunsch. Es nützt doch niemandem zu
erfahren, was da wirklich war.«
Franca
wiegte den Kopf. »Spätestens vor Gericht wird sie die volle Wahrheit hören.
Darauf sollte sie vorbereitet sein.«
»Dann
dosiere die Details. Vielleicht ist es erträglicher, wenn sie alles nur nach
und nach erfährt.«
30
Ihre Arbeitstage dauerten meist
bis spät in die Nacht und waren angefüllt mit dem Aufnehmen von Zeugenaussagen
und dem Auswerten und Sortieren von Spuren. Francas Telefon stand nicht still,
und ihr E-Mail-Postfach quoll über. Auf ihrem Schreibtisch türmten sich Briefe
und Dokumentenstapel, Mappen mit den unterschiedlichsten Unterlagen sowie
Listen mit Namen, die abgearbeitet werden mussten. In einem separaten Körbchen
sammelte sie die zahlreichen Notizzettel mit Hinweisen, die Passanten an die
Polizeifahrzeuge geklebt oder hinter die Scheibenwischer geklemmt hatten.
Es
kostete viel Zeit, all die Beobachtungen zu bearbeiten. Doch sie war wie alle
ihre Kollegen gefordert, jeden Hinweis, und klang er noch so absurd, zu
protokollieren und auszuwerten. Jeder einzelnen Spur musste nachgegangen
werden. Falls etwas Wichtiges übersehen wurde, würde man sich das nie
verzeihen.
An der
Pinnwand im Büro hingen gut sichtbar die bisherigen Fakten und Fotos. Immer wieder
fiel Francas Blick darauf, um mit ihrem erweiterten Wissen vielleicht zu neuen
Erkenntnissen zu gelangen. Timos Leiche, die im Flusslauf der Nette gefunden
worden war, wies neben anderen Verletzungen Drosselmale auf. Auch die kleine
Lara hatte solche auffälligen Male am Hals gehabt. Hatte sie nicht
Wasserrauschen und viele Bäume erwähnt? Je länger Franca darüber nachdachte,
umso mehr drängte sich die Frage auf, ob es einen Zusammenhang gab zwischen dem
Mord an Timo und dem Missbrauch an dem Mädchen. Gleichzeitig stellte sie sich
die Frage, ob dieser Mord vielleicht hätte verhindert werden können, hätte sie
die Kleine nur intensiver befragt. Kurzerhand nahm sie den Hörer in die Hand.
Laras Vater war am Apparat. Er wehrte jedoch Francas Ansinnen entschieden ab.
Seine Tochter habe sich halbwegs gefangen, gab er der Polizistin zu verstehen.
Eine neuerliche Konfrontation mit der Polizei würde alle Wunden wieder
aufreißen.
Seufzend
legte sie auf. Auf einem der Stapel lag eine blaue Mappe, die sie neben Heften,
Notizbüchlein und weggeworfenem Papier in Timos Zimmer gefunden und mitgenommen
hatte, in der Hoffnung, darin vielleicht auf brauchbare Hinweise zu stoßen. In
dem Schnellhefter befanden sich neben handschriftlichen Notizen und Zeichnungen
Infos und Faltblätter über die Vulkantätigkeit in der Osteifel. Warum sie die
Mappe mitgenommen hatte, wusste sie wieder, als sie die erste Seite der
offensichtlich von Timo verfassten Dokumentation las.
Die
Erde ist ein dynamischer Planet, der in vielfacher Hinsicht einem lebendigen
Organismus gleicht. Obwohl viele einen Vulkanausbruch als unwahrscheinlich
ansehen, sind sich die Experten darüber einig, dass es wieder zu Eruptionen
kommen wird. Doch niemand kann genau sagen, wann.
Neben
dem Text war die Zeichnung eines Vulkans, die Timo angefertigt hatte. Weiter
hieß es:
Die
Vorgänge im Inneren der Erde sind äußerst komplex und noch lange nicht
erschöpfend erforscht. Dort, wo sich heute der Laacher See befindet, ereignete
sich vor rund 13 000 Jahren der letzte große Vulkanausbruch in Deutschland. Die
Menschen rechneten nicht damit, als plötzlich Glutlawinen und Ascheströme mit
ungeheurer Geschwindigkeit übers Land schossen, die Menschenleben und ganze
Dörfer auslöschten und die umliegende Landschaft völlig veränderten.
Auch in
unserer Zeit gibt es ständig kleine Beben hier im Umkreis, die auf eine aktive
Vulkantätigkeit hinweisen. Manchmal spürt man sie, manchmal nicht. Die Vulkane
sind nicht tot. Sie schlafen nur. In ihrem Inneren lauern sie auf den Ausbruch,
aber niemand kann mit Sicherheit sagen, wann genau dieser Zeitpunkt
gekommen ist. Vielleicht werden wir eines Tages genauso von einer solchen
Katastrophe überrascht wie die Menschen damals. Dann verändert sich
alles und nichts ist mehr, wie es mal
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