Vulkanpark
Kopf, sah aber nicht hoch.
»Am
Abend des 15. Juli hatten Sie angeblich Nachtdienst. Auch das hat sich als
falsch herausgestellt. Sie haben Ihre Arbeitsstelle bereits um 16 Uhr
verlassen. Wo waren Sie danach?«
Er
presste die Lippen zusammen und schwieg beharrlich.
»Offenbar
hatten Sie Timo schon länger im Visier und wussten, dass er fast jeden Tag auf
dem Bolzplatz anzutreffen ist. Sie wussten, dass er in den Ferien bis zum
Einbruch der Dunkelheit mit seinen Freunden Fußball spielt, und dass er danach
mit seinem Fahrrad allein nach Hause fährt. Sie haben einen silberfarbenen Golf
gestohlen, in der Absicht, ein Verbrechen zu begehen. Danach haben Sie Timo auf
dem Nachhauseweg abgepasst, ihn auf seinem Fahrrad angefahren und verschleppt.«
»Nein!«
Es war ein Aufschrei. Panik stand in seinen Augen. »Das ist doch absurd. Ich
mach doch solche Sachen nicht.« Seine Stimme klang schrill, schnappte über.
Franca
blieb ruhig. »Dann sagen Sie mir, wie es war.«
Er hob
den Kopf, blinzelte heftig und holte tief Luft. »Es stimmt. Ich habe nicht mit
meinen Kollegen gefeiert. Ich … ich war bei einer Frau.«
»Das
verzögert die Sache doch nur, Herr Schaller. Sie wissen, dass wir auch das
nachprüfen werden.«
»Aber
wenn es doch wahr ist!«, rief er aus. »Ich … ich
habe eine Leidenschaft, für die meine Frau kein Verständnis hat, sie würde das
nicht verstehen, deswegen … «
»Deswegen
haben Sie eine Affäre?«
Er
rutschte unruhig auf seinem Stuhl herum. Die Schweißtropfen auf der Stirn
machten sich selbstständig und liefen ihm übers Gesicht. Es sah aus, als ob er
weinte. »Es ist keine … Affäre im üblichen Sinn. Ich zahle dafür.«
»Also
eine Prostituierte.«
Er
zögerte lange, verschränkte die Hände ineinander, löste sie wieder, bevor er
gequält nickte. »Meine Frau würde das niemals verstehen. Auch, weil wir sparen
müssen, aber … ich kann nicht anders. Ich muss diese Frau sehen. Es ist wie eine
Sucht … « Flehend sah er Franca an. »Aber ich würde doch niemals irgendwas
mit Kindern machen. Nur mit Erwachsenen. Und auch nur, wenn die einverstanden
sind.«
»Wie
heißt die Frau?«, fragte Franca ungerührt.
»Das
kann ich doch nicht sagen.«
»Herr
Schaller.«
Er wand
sich. »Sie heißt Adeline. Das ist ihr Künstlername. Ich weiß nicht ihren
richtigen Namen. Ich habe nur ihre Handynummer und ihre Arbeitsadresse. Aber
bitte … ich weiß nicht, ob sie legal arbeitet, und es ist ihr bestimmt
nicht recht, wenn die Polizei … «
»Lieber
Herr Schaller. Wieso werde ich das Gefühl nicht los, sie erzählen uns schon wieder
ein Märchen?«
»Es ist
kein Märchen, es ist die Wahrheit.«
»Dann
müssen Sie uns die Möglichkeit geben, die Wahrheit zu überprüfen.«
Angestrengt
dachte er nach. Seine Körpersprache drückte Unbehagen aus. »Haben Sie was zu
schreiben?«, fragte er schließlich mit ausdrucksloser Stimme.
Sie gab
ihm einen Stift und ihr Notizbuch. Darin notierte er eine Handynummer und eine
Adresse in der Eifel.
Er tat
ihr fast ein wenig leid, wie er da saß. Ein Häufchen Elend, das wusste, etwas
grundsätzlich falsch gemacht zu haben. Ein Mann, der geglaubt hatte, sein
Geheimnis ein Leben lang hüten zu können und der nun aufschreckte, weil ihm die
Polizei auf die Schliche gekommen war. Die Enttarnung eines fürsorglichen
Familienvaters, der ein heimliches Doppelleben führte, war ihnen schon öfter
gelungen. Das, was Michael Schaller anbot, war harmlos verglichen mit den gegen
ihn gerichteten Vorwürfen. Und es war nachvollziehbar, dass er alles tun würde,
den Prozess der Aufdeckung in die Länge zu ziehen.
Sie
klappte das Notizbuch zu und erhob sich.
49
»Kann mir mal jemand das hier
erklären?« Anton Osterkorn war sichtlich aufgebracht. Er hielt eine
überregionale Boulevard-Zeitung hoch und tippte auf die Schlagzeile: Bestie
gefasst – Fahndungserfolg der Polizei . Das Foto darunter zeigte den
festgenommenen Michael Schaller in aller Deutlichkeit. Nicht gepixelt, keine
schwarzen Augenbalken. Den Geiern zum Fraß vorgeworfen. Darunter die Zeile:
»Der Täter kommt aus Koblenz«.
Der
dazugehörige Artikel enthielt nicht nur den vollen Namen des mutmaßlichen
Täters, sondern auch bisher sorgsam gehütete Interna, wie Details aus dem
Obduktionsbericht, die nie hätten an die Öffentlichkeit gelangen dürfen.
»Ist ja
klar, dass diese Blutsauger nach so was geifern«, meinte Brock.
»Saure-Gurken-Zeit. Da stürzen die sich doch auf alles, was eine
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