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Vulkanpark

Vulkanpark

Titel: Vulkanpark Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriele Keiser
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fast.
    Die
Bilder in seinem Kopf überschlugen sich. Sein Vater ein Mörder? War das der
Grund, weshalb die Eltern ihn schützen wollten? Er hatte das Gefühl, vollends
den Boden unter sich zu verlieren.

51
     
    Sie versuchte, Alltag zu leben.
An der Routine hangelte sie sich entlang. Frühstück machen. Aufräumen. Essen
kochen. Im Kindergarten hatte sie angerufen und Elias entschuldigt. Er habe
eine starke Erkältung, sagte sie mit fester Stimme. Die Frau am anderen Ende
hatte überrascht geklungen. Und unterkühlt. Es war Dorothee egal, ob man ihr
glaubte oder nicht. Sie musste die Stellung halten. Hier in diesem Haus. So
lang, bis Michael wieder zurück war und ihr normales Leben weitergehen konnte,
und sie allen bewies, wie unrecht sie hatten.
    Doch
etwas tief in ihr drinnen nagte weiter und fraß sie schier auf. Sie drehte und
wendete die Vergangenheit. Tastete sie weiter nach möglichen Vorzeichen ab.
Hatte irgendetwas auf ein Unheil hingedeutet? Unentwegt stöberte sie in ihrem
Gedächtnis nach entlarvenden Bildern. Doch es war nichts zu erkennen. Hatte er
sie angelogen? War sie zu naiv gewesen, zu gutgläubig? Sie prüfte die Tage,
über die die Polizisten Genaueres wissen wollten. Am 13. Mai stand ›Theater‹ in
ihrem Kalender. Sie erinnerte sich. An ihre Vorfreude auf das Stück ›Endstation
Sehnsucht‹, die jäh von Michaels Telefonanruf, dass er später käme, getrübt
wurde. Mit Kollegen wolle er einen Geburtstag nachfeiern, hatte er gesagt.
Hatte er den Namen des Kollegen genannt? Sie wusste es nicht mehr. Nur, dass er
spät heimgekommen war damals. Sie hatte bereits im Bett gelegen. Ihre Brust zog
sich zusammen. Das war der Tag! Was, wenn er nicht bei diesem Kollegen war,
sondern … sie wagte nicht, den Gedanken zu Ende zu denken.
    Plötzlich
merkte sie, dass sie begann, ihr gesamtes Leben mit Michael infrage zustellen.
Was, wenn alles nur eine schreckliche Lüge war? Wenn er überhaupt nicht der
Mann war, den sie zu kennen glaubte? Sollte sie sich tatsächlich in einen Mann
verliebt haben, der für Schwächere, für Kinder eine Gefahr bedeutete? Ihr Herz
begann heftig zu schlagen. Sie musste ihn zur Rede stellen. Sie wollte ihm in
die Augen sehen, während sie ihm diese Frage stellte. Sie musste wissen, ob sie
sich so getäuscht hatte.
    Vor
ihren inneren Augen flimmerten einzelne Sequenzen ihres Lebens vorbei. Michael
verlegen in der Tür stehend mit der Hand hinter dem Rücken. Einen Rosenstrauß
hatte er ihr mitgebracht, mit dem er sie überraschen wollte. Das war ganz am
Anfang ihrer Beziehung gewesen. Er war nicht der große Kavalier, der stets mit
einem Geschenk antanzte. Aber die seltenen Male, wenn er dies tat, die hatte
sie sich gemerkt.
    Ein
bewegender Moment schoss ihr in den Kopf. Elias war noch ganz klein, Lucia war
noch nicht geboren. Michael war wegen einer länger dauernden Fortbildung einige
Zeit von seiner Familie getrennt gewesen. Der Moment, als er wiederkam, war ihr
überdeutlich in Erinnerung, als sie mit dem Baby im Kinderwagen am Bahnhof
stand, um ihn abzuholen. Da hatte er Tränen in den Augen gehabt. Er hatte nicht
gesagt, dass er seine Familie vermisste, aber sie hatte es tief in ihrem Herzen
gespürt. Das konnte doch nicht gelogen gewesen sein. Immer war er zuvorkommend,
höflich, freundlich. Sie erinnerte sich nicht, wann sie jemals gestritten
hätten. Mit Michael konnte man gar nicht streiten. Machte sie ihm Vorwürfe, was
schon mal vorkam, zog er sich still in sich zurück. Danach tat er, als ob
nichts gewesen sei. Es wurde nicht mehr darüber gesprochen. Das war seine Art,
mit Konflikten umzugehen.
    Und nun
sollte er Kinder missbraucht und einen Mord begangen haben? Sie hatte das
Gefühl, ihr platze gleich der Kopf. Tränen liefen ihr über die Wangen.
    »Mama,
warum weinst du?«, fragte Lucia mit hellem Kinderstimmchen.
    »Ich
wein doch gar nicht.« Sie fuhr sich mit dem Handrücken über die Augen. Nein,
sie durfte sich nicht vor den Kindern gehen lassen. Da musste sie Stärke
demonstrieren. Vernünftig sein. Obwohl sie sich am liebsten verkrochen hätte.
Mit einer Decke über dem Kopf. Sie wollte keine Entscheidungen treffen, von
denen sie nicht wusste, ob sie richtig oder falsch waren, nicht trösten müssen.
»Wollen wir was Schönes spielen?«, fragte sie ihre Tochter.
    »Ich
will raus auf die Schaukel.«
    »Das
geht jetzt nicht, mein Schatz.«
    »Warum
denn nicht?«
    »Komm,
ich lese dir was Tolles vor«, versuchte sie abzulenken.
    »Ich
will aber lieber

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