Vulkanpark
würde
alles tun, um hier rauszukommen und wieder bei meiner Familie zu sein. Würden
Sie das meiner Frau ausrichten? Bitte?«
»Das
heißt mit anderen Worten, Sie sind auch bereit, zu lügen?«
53
Wie betäubt ging sie zurück in
ihr Büro. Ihr Magen hatte sich zusammengezogen. In ihrer Brust breitete sich
Beklemmung aus, die wie ein Felsbrocken auf ihr Herz drückte. Eins zu einer
Milliarde, hatte Frankenstein gesagt. Und dann sollte es einen Zwillingsbruder
geben, der auch noch ihr Liebhaber war?
Clarissa
saß an Francas Schreibtisch und tippte eifrig Eingaben in den Computer. »Bin
gleich fertig«, sagte sie. »Dann kannst du wieder hierher.«
»Schon
gut.« Franca setzte sich neben sie. Ihr schwirrte der Kopf. Was, wenn sie
tatsächlich einen Unschuldigen verdächtigten? Andererseits konnte es doch auch
sein, dass Michael Schaller versuchte, seinem Bruder alles in die Schuhe zu
schieben.
»Hast
du einen Moment Zeit?«, fragte sie Clarissa.
Die
Jungkommissarin speicherte ihre Eingaben, dann sah sie kurz auf. »Klar.«
Sie bat
Clarissa, den Namen ›Benjamin Schaller‹ zu recherchieren.
»Benjamin?«,
fragte Clarissa erstaunt. »Ich dachte, unser Mörder heißt Michael.«
»Das
dachte ich auch«, antwortete Franca knapp und blieb Clarissa eine weitere
Erklärung schuldig.
»Also, ich hab etliche
Einträge, die ich im Intranet gefunden habe, abtelefoniert. Es war keiner dabei,
der infrage kam. Dann hab ich beim Standesamt einen Auszug aus dem
Geburtenregister angefordert. Und rate mal, was dabei rausgekommen ist?«
Franca
glaubte, die Antwort zu kennen. Gleichzeitig fürchtete sie sich davor.
»Da ist
tatsächlich ein Benjamin Schaller registriert. Inzwischen hat er den Namen
seiner Frau angenommen, ist aber schon wieder geschieden.«
Franca
wurde heiß und kalt.
»Jacobs
heißt er jetzt. Er wohnt hier in Koblenz. Und du glaubst es nicht: Er ist der
Zwillingsbruder von Michael Schaller.«
Franca
schüttelte den Kopf. »Das kann nicht sein«, sagte sie tonlos.
»Doch«,
behauptete Clarissa. »Zweifelst du etwa meine Rechercheergebnisse an?«
Francas
Herz klopfte wie wild. Die schlimme Ahnung begann sich immer mehr zu
konkretisieren.
»Was ich
nicht verstehe … «, setzte Clarissa an.
Franca
unterbrach sie abrupt. »Könntest du sämtliche Hinweise über Benjamin Jacobs
zusammentragen, die du findest? Also alle zur Verfügung stehenden polizeilichen
Informationsquellen, Meldedatei, Straßenverkehrsamt. Und schau besonders nach
einer Jugendstrafakte.«
Clarissas
Augen wurden immer größer. »Ich werd’s versuchen. Aber … «
Wieder
fiel ihr Franca ins Wort: »Und noch was: Behältst du das alles vorläufig für
dich?«
»Wie?
Jetzt versteh ich überhaupt nichts mehr.«
»Das
brauchst du auch nicht zu verstehen. Ich erklär’s dir morgen.«
Sie
nahm ihre Tasche und stand auf.
»Und wo
gehst du jetzt hin?« Clarissa war sichtlich ratlos.
»Nach
Hause.« Franca zog die Bürotür hinter sich zu und rannte zum Aufzug.
Tausend
Gedanken gingen ihr durch den Kopf, während sie nach Hause fuhr. Was wusste sie
wirklich von Benjamin? Sie war davon ausgegangen, dass er wie sie ein
Einzelkind war, aber hatte er das tatsächlich jemals geäußert? Über seine
Familiengeschichte hatte er kaum etwas erzählt, obwohl sie ihn mehrfach darum
gebeten hatte. Einen Zwillingsbruder hatte er aber ganz sicher nicht erwähnt.
Über
seinen Vater hatte er nur widerwillig Auskunft gegeben und ihn als herrisch und
jähzornig beschrieben, ein Mann, der alle Familienmitglieder tyrannisierte.
Bens Wortkargheit hatte sie dahin gehend gedeutet, dass er keine besonders
schöne Kindheit hatte und dass er deshalb nicht darüber erzählen wollte.
Stets
hatte er betont, dass die Vergangenheit vorbei sei und nicht mehr wichtig. Auf
das Jetzt müsse man sich konzentrieren, auf den Augenblick. Das war seine
Philosophie, die ihr auch irgendwie einleuchtete. Zeigte sich nun, dass die
Vergangenheit weit in die Zukunft hineinragte? Sollte er wirklich wegen einer
frühen kriminellen Tat von seiner Familie ausgestoßen und in ein Heim
abgeschoben worden sein? Dass seine Taten, sein Verhalten aus der Vergangenheit
sehr wohl mit dem Jetzt und der Zukunft zu tun hatten?
Doch so
richtig konnte sie das noch immer nicht fassen, denn das, was sie bisher
erfahren hatte, passte nicht zu dem Benjamin, den sie kannte. Gab es eine solch
unterschiedliche Entwicklung bei Zwillingen überhaupt, wie ihr Michael Schaller
dies hatte
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