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Vyleta, Dan

Vyleta, Dan

Titel: Vyleta, Dan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pavel und Ich
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Sie wünschte, sie hätte
eine Möglichkeit, herauszufinden, was er dachte.
    »In
Ordnung«, sagte er. »Das kann allerdings dauern. Wo finde ich Sie?«
    »Wie
lange?«
    »Ich weiß
es nicht. So 'n Film, der wird vom Militär benutzt. Da muss ich ein paar
Verbindungen spielen lassen. Das kann wie gesagt dauern. Wenn Sie denken,
woanders kriegen Sie's schneller, nur zu, versuchen Sie's.«
    Sie machte eine Pause und nickte dann.
    »Wo kann ich Sie finden?«, fragte er noch einmal.
    Sie
deutete auf das Telefon neben seinem Sessel. »Funktioniert das?«
    Er nickte.
»Hab dem Doktor unten die Leitung abgekauft. Er meinte, wenn er verhungert,
braucht er kein Telefon mehr.«
    »Ich rufe
jeden Tag an. Je schneller du es bekommst, desto mehr bin ich bereit zu zahlen.
Sag mir die Nummer.«
    Leicht
widerstrebend gab er sie ihr. Sie legte die Pistole auf den Boden und wandte
sich ab. Im Hinausgehen machte sich Sonja bewusst, dass Anders monatelang hier
oben gelebt hatte. Es war ein schäbiger, hässlicher Ort. Kein Wunder, dass das
auf ihn abgefärbt hatte.
    Auf dem
Weg zurück ging Sonja einkaufen, wobei sie darauf achtete, den Sektor zu
verlassen, bevor sie sich nach einer Metzgerei umsah. Sie musste eine gute
Stunde Schlange stehen, und als sie endlich an die Reihe kam, wurde der Metzger
argwöhnisch, weil sie so viele Fleischmarken hatte. Er hielt sie mit seinen
blutbeschmierten Fingern gegen das Licht, um sich zu vergewissern, dass es
keine Fälschungen waren, dann endlich nahm er sie zusammen mit den Dollarnoten
an, die sie zwischen die Karten gesteckt hatte. Hinter der Ladentheke stand ein
Bottich voller Schweinsfüße. Ein Rüssel stand aufrecht auf der Waage, blonde
Borsten ragten aus dem blassen, runzligen Fleisch. Sonja musste an den Tag während
der Schlacht um Berlin denken, als im Morgengrauen auf dem Bürgersteig
gegenüber von ihrem Haus ein totes Pferd gelegen hatte. Sie und ihre Nachbarn
hatten es zerlegt, waren mit Papierscheren und Rasiermessern aus ihren
Kellerverstecken gelaufen und hatten Stücke aus dem Kadaver herausgeschnitten,
bis nur noch Knochen, Hufe und ein paar Eingeweide übrig gewesen waren. Junge
Mädchen waren mit Stücken Pferdefleisch in den Fäusten die Straße hinuntergerannt,
die Arme bis zu den Ellbogen voller Blut, glücklich. Sonja konnte seitdem in
keine Metzgerei mehr gehen, ohne dieses Bild vor sich zu sehen. Sie fragte
sich, ob sie es je können würde.
    »Sie
wollen so viel?«
    »So viel
Sie haben. Aber keine Füße.«
    Sie
verließ den Laden mit fünf Pfund Leber, einer Seite durchwachsenem Speck und
einem großen Stück Wurst. Eine Bäckerei verkaufte ihr einen Zweikilolaib
Schwarzbrot und ein Dutzend Schrippen. Zwar bestand das Risiko, dass sie sich
an eine so reiche Kundin erinnern würden, aber dafür musste sie die Wohnung
nicht mehr verlassen, bis Paulchen einen Projektor für sie gefunden hatte.
    Sie konnte
nur hoffen, dass Fosko Pavel nicht vorher schon aus schierem Unmut tötete.
     
    Als Sonja gegangen war, holte
Paulchen ein Stück Papier mit einer Telefonnummer aus der Manteltasche. Eine
Weile saß er da und starrte die Nummer an, bis er schließlich mit seinem guten
Arm nach dem Telefon langte und es sich auf den Schoß zog. Es klingelte vier,
fünf Mal, bis eine Frau abnahm.
    »Margaret Fosko speaking«, sagte die Frau. »How can I help you?«
    »Ich
möchte mit dem Herrn Colonel sprechen«, sagte Paulchen förmlich.
    »Oh, ich
sprecken keine Deutsch. The Colonel is
out.«
    »Herr
Fosko?«, versuchte es Paulchen noch einmal, der sie nicht richtig verstanden
hatte.
    »He's out. Aus. Won't be back for a week or so. Eins
Woche. Verstehen?«
    »Ja.«
    »Can I ask who's calling? «
    » Was?«
    » Who are you? Ihre
Name?«
    »Sagen Sie
ihm, ich hab seine Hure. His
woman. I has his woman. «
    »Well«, sagte die Stimme. » Well make sure to tell him if I see him before I leave.«
    »Wen hast
du angerufen?«, wollte Gunnar wissen, als Paulchen aufgelegt hatte.
    »Den
englischen Colonel.«
    »Den
Pe-di-rast? Warum rufst du den an, nachdem, was die mit uns gemacht haben?«
    Paulchen
schloss die Augen. Er erinnerte sich, wie sie die Wohnung gestürmt hatten,
vier, fünf Mann. Woland, der Wache, hatten sie mit der Pistole ins Gesicht
geschlagen. Sie trugen keine Uniformen, gaben sich aber keine Mühe, ihre englischen
Stimmen zu verbergen. Traten den Weihnachtsbaum um, bellten Fragen heraus und
schlugen sie in die Gesichter. Paulchen dachte daran, wie einer von ihnen,

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