Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Vyleta, Dan

Vyleta, Dan

Titel: Vyleta, Dan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pavel und Ich
Vom Netzwerk:
Fragen.«
    »Er hat
Sie dafür bezahlt, stimmt's? Sie hätten nein sagen können.«
    Sonja
schob ihren Teller beiseite und starrte auf den Tisch. Die Platte war wieder
einmal zu Ende, aber diesmal machte sie keinerlei Anstalten, die Nadel an den
Anfang zurückzusetzen. Anders fragte sich, ob sie wohl weinte.
    Warum sollte sie?, fragte er sich. Ich hab doch nichts Schlimmes gesagt.
    »Hab ich
was Schlimmes gesagt?«, fragte er sie nach einer Weile. »Das wollte ich nicht.«
    Sie hob
den Blick, und ihre Augen waren trocken. »Du hast wirklich keine Ahnung, was?
Wie es ist. Ich nehme an, du bist noch zu jung. Große Güte, wie du da sitzt und
dir der Rotz ins Essen tropft. Wer kann da glauben, dass du in ein paar Jahren
einer von ihnen bist.«
    »Einer
wovon?«
    »Ein Mann. Ohne die würde es uns allen
viel besser gehen.«
    »Warum?«
    Die Frage
war heraus, bevor er sie hatte hinunterschlucken können. Er hatte das Gefühl,
dass sie ihn verriet, ihn kindlich wirken ließ. Aber jetzt war sie heraus, und
er war neugierig auf die Antwort. »Warum?«
    Sie
seufzte und holte tief Luft.
     
    Es war nichts, das sie erklären
konnte. Sie flüchtete sich in Gemeinplätze und geriet in eine Rede darüber,
wie Männer die Leben der Frauen kontrollierten: Wahrheiten aus zweiter Hand,
die sie von ihrer Mutter, einer Frauenrechtlerin, und deren liberalen
Freundinnen übernommen hatte. Sie erklärte ihm, dass sie als Frau keine Wohnung
mieten oder ein Auto kaufen könne, ohne dass ein Vater oder ein Ehemann für sie
unterschrieb. Dass sie keine Grenze ohne Papiere überqueren könne, die von Männern
ausgestellt würden. »Und ein Mann hat auch entschieden, ob ich Nazi war oder
nicht«, erklärte sie ihm. »Dabei hat er mir über seinen schmalen Schreibtisch
hinweg unverhohlen auf die Brüste gestarrt.«
    Sie brach
ab und betrachtete den Jungen. Er schien unberührt von ihrem Ausbruch. Sie
wollte die Unterhaltung schon beenden, stellte ihm dann doch eine Frage.
    »Weißt du,
was Geschlechtsverkehr ist?«, fragte sie. »Miteinander schlafen?«
    Er nickte,
die Zähne tief in seiner Lippe.
    »Es ist
wie eine Krankheit, die sie packt und nicht wieder loslässt. Wenn sich ihnen
eine Frau nähert, verstehst du, und da ist eine Rundung an ihrem Körper, etwa
so ...«, sie strich sich über die Flanke, wo sich ihr Leib nach und nach zu
Hintern und Hüfte weitete, »Himmel, es macht sie ganz verrückt.«
    Sonja
verzog das Gesicht, dann lächelte sie.
    »Aber ich
erzähle dir Märchen, Spukgeschichten sind das. Hier, lass mich eine neue
Schallplatte auflegen. Das ist Glenn Miller, der da Posaune spielt. Meine
Großmutter sagte immer, es klänge, wie wenn Gott einen fahren ließe.«
    Sie
lauschten Glenn Miller. Jedes Mal, wenn die Posaune einsetzte, hob der Junge
eine Hinterbacke und tat so, als furzte er.
     
    Später, bei Tee und Milch, erklärte
er ihr, dass er sich auf all das nie einlassen werde.
    »Ich
nicht«, sagte er schmollend.
    Sie musste
lachen. »Was nicht?«
    Er saß
stumm da und suchte nach Worten.
    »Ich lasse
mich nicht so unterjochen.«
    Sie
schluckte ihr Lachen hinunter und sah zu, wie er sich Zucker in den Tee
löffelte. Er nahm so viel davon, dass sie bald schon eine neue Tüte würde
besorgen müssen.
     
    »Wo hast du gelernt, so zu
reden?«, fragte sie ihn, während sie in Franzis winziger Spüle das Geschirr
spülte. »Unterjochen. Das ist
ein Wort aus Büchern. Aber du liest nicht.«
    Er kaute
auf seiner Zunge. »Soll ich es anders sagen?«, fragte er.
    Sie
schüttelte den Kopf.
    »Nein«,
sagte sie. »Ich glaube, das ist einer der Gründe, warum Pavel dich so sehr
mag.«
    Er wandte
den Blick ab, und sie tat so, als sähe sie die Tränen nicht, die ihm in die
Augen traten. Vielleicht hätte er sich trösten lassen, hätte eine Umarmung
oder ein Streicheln über die Wange akzeptiert, aber sie hatte es nicht in sich,
fand nicht den Antrieb, die Hand auszustrecken und ihn zu berühren. Stattdessen
schenkte sie ihm mehr Tee ein und sagte, er solle trinken. Als kein Tee mehr da
war, ging sie Wasser von der Pumpe holen und schlug vor, dass er sich trotz
seines Fiebers wusch. Der Junge stank unglaublich. Anders gab nach, als sie
versprach, nicht in das Bad zu kommen, während er sich darin säuberte.
    »Ich habe
in meinem Leben weiß Gott schon genug Pimmel gesehen«, murmelte sie für sich.
    Er
überraschte sie damit, dass er sang, als er nackt in seiner Waschschüssel stand
und sich mit Franzis Lavendelseife wusch. Er konnte

Weitere Kostenlose Bücher