Vyleta, Dan
sei sowieso mit Zucker knapp.«
Karpow
wies Sergej an, die Frau zu verhaften. Sergej hatte Einwände. »Hier sind zu
viele Leute. Ich glaube, sie steht unter Beobachtung. Einer hat eine
Augenklappe und eine Pistole, die ihm den Mantel ausbeult, und womöglich sind
da noch andere.«
»Wissen
Sie, für wen er arbeitet?«
»Ich bin
nicht sicher. Er trägt keine Uniform. Aber für mich sieht er aus wie ein
Engländer.«
»Das
heißt, die Engländer stecken mit in der Sache. Vielleicht auch nur der Colonel,
wegen dem wir Richter frei gelassen haben.«
»Was soll
ich tun?«
Karpow
überlegte.
»Warten
Sie, bis sie herauskommt, und verhaften Sie sie dann unauffällig. Wenn es Ärger
gibt, rufen Sie die Polizei. Ich möchte nicht, dass sich ein Vorfall daraus
entwickelt.«
Sergej
sagte ihm, er solle sich keine Sorgen machen. Die Wahrheit war, dass Karpow
nicht dachte, diese Spur würde weit führen. Wenn die Frau etwas wüsste, hätten
die Briten sie längst kassiert. Im Übrigen schienen die Briten auch nicht mehr
über Söldmanns Verbleib zu wissen als der NKWD. Sie hofften offenbar, dass der
Zwerg Kontakt zu der Frau aufnahm. Das glich dem Glauben an den Weihnachtsmann.
Dann, spät
am Abend des Vierundzwanzigsten, bekam Karpow Richters Akte, und seine
Einschätzung der Situation änderte sich dramatisch. Sein erster Impuls war, mit
einem Einsatzwagen hinüber in die Seelingstraße zu fahren und zu verhaften,
wen immer sie dort vorfänden. Ein diplomatischer Zwischenfall würde jedoch nur
die Amerikaner und Franzosen alarmieren, und auch die Briten, wenn seine
Annahme stimmte, dass Colonel Fosko da ein privates Spielchen spielte. Sergejs
Anruf war lange überfällig. Entweder verfolgte er die Frau und hatte keine
Möglichkeit, den General zu kontaktieren, oder ihm war etwas zugestoßen. Als er
sich gegen fünf Uhr morgens immer noch nicht gemeldet hatte, schickte Karpow
Lew, um zu sehen, was dort geschah. Er trug ihm auf, vorsichtig vorzugehen und
die Gegend erst zu erkunden. Das Haus werde beobachtet.
Lew nahm
sich Zeit. Er identifizierte das Haus und lief ein paarmal um den Block. Sergej
war nirgends zu entdecken, aber auch sonst niemand, was das anging. Er
studierte die Namensschilder neben den Klingeln und versuchte herauszufinden,
in welcher Wohnung die Frau wohnte, doch ohne Erfolg. Alles, was er von ihr
wusste, war, dass sie unter dem Namen Belle gearbeitet hatte. Die Haustür war
verschlossen und nicht eines der Fenster nach vorne heraus erleuchtet.
Geduldig wartete Lew, dass die Seelingstraße erwachte, spuckte Tabaksaft in die
Schneewehen und rieb sich mit den Handschuhen über das Gesicht, wenn die Kälte
jedes Gefühl daraus vertrieben hatte. Niemand näherte sich dem Haus oder
verließ es. Gegen zwanzig nach sechs ging hinter einem Fenster im zweiten Stock
endlich Licht an. Eine halbe Stunde später tauchte ein Mann auf, Gesicht und
Hände in einem sperrigen Mantel versteckt.
»Wo wohnen
diese Frau?«, fragte ihn Lew in seinem abgehackten Deutsch, während er sich an
ihm vorbei in den Hausflur drängte. Er hielt dem Mann das Überwachungsfoto
unter die Nase. Der Mann antwortete ohne zu zögern.
»Vierter
Stock, Vorderhaus links. Schon wieder Herrenbesuch?«
Lew
grinste. Das musste Belle sein.
Er fand
sie, hielt einen Schwatz mit ihr und fiel ihrer Bratpfanne zum Opfer. Gegen
zehn schickte Karpow, der sich um seinen jungen Adjutanten sorgte, drei
weitere, bis an die Zähne bewaffnete Männer. Eine Stunde später kamen sie
zurück und sagten, sie hätten Lew auf einen Stuhl gefesselt gefunden, mit einer
blutigen, eisigen Beule auf dem Kopf. Der Arzt sehe gerade nach ihm.
Mittlerweile war auch der Anruf eingegangen, dass man Sergejs Leiche gefunden
und identifiziert habe. Der General erlaubte sich ein Quäntchen Wut.
Er
handelte, ohne zu zögern. Rief das Hauptquartier der britischen Armee an und
verlangte Foskos Privatadresse. Er schickte eine formale Beschwerde an die
britische Militärpolizei, drängte auf eine umgehende Untersuchung und fuhr zu
Foskos Villa, um ihn persönlich mit der Situation zu konfrontieren. So von Angesicht
zu Angesicht, musste er zugeben, war der Colonel eine beeindruckende Gestalt.
Fett. Gefasst. Gelassen. Der General sagte ihm auf den Kopf zu, er wisse, dass
Fosko versuche, in den Besitz von Söldmanns Mikrofilm zu kommen.
»Haben Sie
ihn?«, fragte er.
»Es ist
das erste Mal, dass ich davon höre.«
Der
Colonel deutete auf eine Schale mit Gebäck, die er vor seinen
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