Vyleta, Dan
Besucher
hingestellt hatte. »Sie sollten etwas davon versuchen. Meine Frau hat es
selbst gebacken.«
»Geben Sie
ihn heraus«, befahl der General. »Der Mikrofilm ist sowjetisches Eigentum. Wir
werden keinerlei Einmischung dulden.«
»Drohen
Sie mir?«
»Es wird
eine Untersuchung geben. Durch Ihre eigenen Leute. Ich habe bereits einen Bericht
geschickt.«
»Ah, dann
sehe ich wohl besser im Hauptquartier vorbei und glätte die Wogen ein wenig.«
Er war
völlig selbstbeherrscht. Seine fetten Lippen lächelten.
»Wo ist
Richter?«
»Keine
Ahnung. Mein Rat wäre jedoch, ihn in Ruhe zu lassen.« Fosko kratzte sich
reumütig den Kopf. »Der Kerl bringt nichts als Ärger.«
Karpow
konnte nichts mehr tun, wenn er ihn nicht erschießen wollte, und so ging er
und befahl seinen Agenten, die Stadt nach Richter zu durchkämmen, nach Söldmann
und nach seiner kurva. Bis jetzt
waren sie auf nichts gestoßen, nicht einmal auf eine Leiche.
Sie
begruben Sergej am Morgen des Siebenundzwanzigsten.
Karpow ließ eine Plakette auf dem
Grab anbringen, die ihn einen Helden des Großen Vaterländischen Kriegs nannte.
Wenn erst das geplante Denkmal am Treptower Park fertig wäre, würde man seine
Leiche dorthin überführen, damit sie sich im Ruhm der Geschichte sonnen konnte.
Später am
Tag saß der General in seinem Büro, nippte an seinem brühend heißen Tee und
überlegte, ob es das Risiko wert wäre, den Colonel umbringen zu lassen. Es
mochte einen diplomatischen Wirbel auslösen, aber wenn er die Briten richtig
verstand, hatten sie nicht den Mumm für einen weiteren Krieg.
Fürs Erste
begnügte er sich damit, das Haus des Colonels rund um die Uhr überwachen zu
lassen.
Nach drei Tagen Warten ließ Sonjas
Geduld nach. Sie musste wissen, ob Pavel noch lebte. Wenn er tot war, hatte es
keinen Sinn, länger in Franzis Wohnung zu bleiben. Dann würde sie das Feld
räumen und versuchen, aus der Stadt herauszukommen. Richtung Westen fahren,
oder vielleicht nach Südwesten, in die amerikanische Zone. Möglichst weit weg
von Berlin.
Sie
wartete, bis Anders nach dem Mittagessen eingeschlafen war, und wählte dann
Foskos Nummer. Auf den Strom war immer noch kein Verlass, und der Anschluss
brach immer wieder zusammen. Endlich kam sie durch und zählte mit, wie oft es
klingelte. Nach dem fünften Mal meldete sich eine Frauenstimme.
»Margaret Fosko speaking.«
Sonja
hatte die Frau des Colonels ganz vergessen.
»Ist der
Colonel da?«, fragte sie auf Englisch.
»Nein, er
ist unterwegs. Kann ich ihm etwas ausrichten?«
»Wann
kommt er zurück?«
»Ich
fürchte, er ist länger weg, für ein paar Tage. Mit wem spreche ich bitte?«
»Haben Sie
einen Mann im Haus gesehen? Einen Amerikaner?«
»Wer sind
Sie?«
»Dunkles Haar. Schlank. Haben Sie ihn gesehen?« Die Frau
überlegte. Sonja konnte sie durchs Telefon denken hören.
»Sie sind
Deutsche, richtig?«, fragte Mrs Fosko schließlich. »Könnten Sie mir da mit
einem deutschen Wort helfen? Jemand hat es kürzlich im Gespräch mit mir
benutzt, und ich bekomme einfach nicht heraus, was es bedeutet. Er sagte etwas
über Foskos Hu-re. Haben Sie
eine Idee, was das bedeuten könnte?«
Sonja
legte auf. Hastig suchte sie nach ihren Zigaretten und den Streichhölzern. Dann
endlich Rauch, tief in ihrer Lunge. Sie behielt ihn dort, so lange es ging.
Foskos Hu-re.
Sie fragte
sich, wer sie der Frau des Colonels so beschrieben hatte.
Den Rest
des Tages verbrachte sie ausgestreckt neben dem kranken Jungen und dachte über
die Vergangenheit nach. Es waren die letzten Monate des Kriegs, die sie nicht
losließen. Sie erinnerte sich an die Sirenen, den Fliegeralarm die ganze
Nacht. Die Ruhe der Erschöpfung, mit der man den gepackten Koffer nahm, die
Matratze, die Decke. Die Flasche Wasser, um sich die Lippen anzufeuchten. Sie
hatte den Bunker gehasst, die Zwangsgemeinschaft der Nachbarn, unter denen
immer ein Blockwart war, ein Spion der Partei, der die Gespräche belauschte.
Die Leute aßen, redeten, furzten in der Dunkelheit. Die Angst brachte die Därme
durcheinander. Halb geflüsterte Entschuldigungen und das Kichern von Mädchen.
Sonja hatte allein in ihrer Ecke gesessen, ungeliebt wegen ihres Stolzes und
des mutmaßlichen Reichtums ihrer Familie, und geduldig auf die Entwarnung
gewartet.
Sie
erinnerte sich daran, wie es die Treppen hinaufging. Staub tanzte in der
Morgensonne. Da mochte es bereits April gewesen sein, die Russen rückten mit
jedem Tag weiter vor. Lange Schlangen beim
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