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Vyleta, Dan

Vyleta, Dan

Titel: Vyleta, Dan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pavel und Ich
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quetschte.
    »Befehl?
Ich weiß nicht. Wahrscheinlich könnte das Haus mal gesaugt werden. Und beziehen
Sie mein Bett frisch. Meine Frau schwitzt wie ein Schwein.« Er drehte den
Zündschlüssel und pumpte ein paarmal mit dem Gas, bis der Motor warm wurde.
    »Falls
Karpow anruft, sagen Sie ihm, soweit Sie wissen, bin ich noch in London und
bekomme die Leviten gelesen, weil ich meine Befugnisse überschritten habe.
Geben Sie das genauso weiter. Das wird ihn ungeheuer freuen.« Damit fuhr er aus
der Auffahrt hinaus auf die eisige Straße Richtung Stadt.
    Verdrießlich
stieg ich die Stufen zu seinem Arbeitszimmer hinauf und setzte mich hinter den
Schreibtisch. Fosko hatte vergessen, den Stecker des Bügeleisens
herauszuziehen, was der einzige Hinweis darauf war, dass er ungewohnt erregt gewesen
sein musste. Dampfend stand es auf dem Bügelbrett, eine schlanke stählerne
Pyramide, oben ganz rosa wie gegrillter Lachs. Ich hätte es ausstellen sollen,
ich weiß, aber ich ließ es weiterdampfen und starrte nur quer durch das Zimmer
zu ihm hinüber. Ich war mit meinen Gedanken bei meinem Arbeitgeber und eilte
mit ihm über pockennarbige Straßen. Ich gebe zu, sie machte mir Gedanken, diese
Kummerwolke, die sich da über Sonja zusammenbraute. Wie gerne hätte ich
gewusst, was der Colonel dachte.
    Bis jetzt
habe ich der Versuchung widerstanden, in den Kopf des Colonels zu schlüpfen,
aus Unterwürfigkeit, mögen Sie sagen, vermischt mit der Angst, dass eine
solche Art von Zuwendung Verständnis erzeugen könnte, wie sehr es einem auch
widerstreben mag. Aber vielleicht sind solche Skrupel auch fehl am Platz oder
sogar ungerecht. Schließlich ist es nicht unvorstellbar, dass sich irgendwo in
Foskos dickem Busen ein Herz aus Fleisch und Blut verbirgt. Ein Bild kommt mir
vor Augen, wie der Colonel mit seinem Sohn spielt (seinen Namen habe ich
entweder vergessen oder nie gewusst): Es ist der Weihnachtsmorgen, und die
beiden sitzen knapp zwei Meter voneinander entfernt auf dem Boden der Villa und
schubsen einen hölzernen Zug zwischen sich hin und her. Woher nahm der Colonel
nur dieses ungekünstelte Lachen, jedes Mal, wenn er den Zug neu in Richtung
seines Sohns fahren ließ? All das im Schatten des Weihnachtsbaums, während
seine Frau zum Gesang von Caruso strickte.
    Es ist
schwer zu sagen, was man aus einer solchen Szene schließen soll, jetzt saß er
in seinem Wagen, das Denken ganz auf seine Beute ausgerichtet, und in seinem
Gesicht lag keine Spur weihnachtlicher Gefühle. So wie er das Steuerrad gepackt
hielt, liegt die Versuchung nahe, darauf zu schließen, dass seine Hände bereits
Sonjas Fleisch unter sich fühlten, und wenn wir uns wegen des schlechten Lichts
im Wagen auch nicht sicher sein können, so schien sich da doch eine unheilvolle
Wölbung in seinem Schritt zu entwickeln, die der imaginären Prügel für die
Abtrünnige eine besonders unangenehme Note verlieh. Da fällt mir noch eine
andere Geschichte aus Foskos frühen Tagen in Berlin ein, etwa aus dem November
'45. In jenen Tagen hatte der Colonel einen winzigen, nackten Hund, nicht viel
größer als eine Ratte, von dem er behauptete, er stamme aus Mexiko, bis er ihm
eines Morgens in einem Wutanfall (der Kleine hatte ihm auf ein paar wichtige
Papiere gepinkelt) mit dem Knie die Wirbelsäule brach und zusah, wie sich die
Kreatur unter seinen Schreibtisch schleppte, um zu sterben. Das Ganze geschah
in Anwesenheit der Putzfrau, die es natürlich überall herumerzählte. Ich
denke, genau das erwartete er von ihr. Fosko war nicht der Mensch, der große
Gesten der Grausamkeit ungenutzt ließ. Als die Putzfrau, eine ältere Deutsche,
ihre Aufgabe erfüllt hatte, warf er sie wegen Spionageverdachts hinaus. Mehrere
Monate lang lief ein Verfahren gegen sie, und während dieser Zeit fand sie
keine Arbeit. Am Ende erklärte sie sich in allen Punkten für schuldig und
hoffte, womit sie nicht völlig falsch lag, im Gefängnis besser versorgt zu
werden. So geht es. Was den Nutzen für meine Erzählung betrifft, hätte ich sie
auch in Schweigen begraben können. Als kleine Vignette mag der mexikanische
Hund jedoch dazu dienen, ein Gegengewicht zu jenem Weihnachtsmorgen zu bilden.
Gemeinsam verkörpern beide Begebenheiten etwas, das der Wahrheit ähnelt.
    Was immer
seine Gedanken, und sein Wert als Mensch, gewesen sein mögen, der Colonel
legte die paar Kilometer ins Stadtzentrum in Rekordzeit zurück und parkte den
Wagen eine Straße von Franzis Parterrewohnung entfernt. Es

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