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Vyleta, Dan

Vyleta, Dan

Titel: Vyleta, Dan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pavel und Ich
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wäre falsch zu
sagen, dass er den Bürgersteig zur Haustür entlangschlich, und ganz sicher
rannte er auch nicht. Langsam, mit wohlbeleibter Selbstsicherheit, ging er an
den Schuttbergen des halbierten Hauses vorbei und klingelte so, wie es jeder
Besucher getan hätte. Er hatte keine Pistole in der Tasche, hielt auch keinen
Schlagstock oder Totschläger in der Hand. Er trug nur sein Lächeln mit sich,
das breit auf seinen Lippen lag, und die Wut, hintergangen worden zu sein.
    Ohne zu
zögern öffnete Sonja die Tür. Später folgerte sie, dass es am Affen gelegen
haben musste, der einen freudigen Ruf ausstieß, gerade so, als hätte er einen
Freund erkannt. Sie war so froh, dass der Junge offenbar schon von seiner
Unternehmung zurück war. Fosko schlüpfte ins Haus, war gleich an der Wohnungstür
und drückte seinen massigen Körper mit erstaunlicher Geschwindigkeit ins
Wohnungsinnere. Sonja blieb keine Zeit für einen Schrei. Krachend fiel die Tür
hinter ihm ins Schloss.
     
    Pavel stand in seiner Zelle und
rief nach seinem Wärter. Stand da, die Stirn in Falten, das Kinn gereckt,
Landstreicherstoppeln auf dem ausgestreckten Hals.
    »Peterson!«,
rief er zur Decke hinauf. »Kommen Sie zurück!«
    »Kommen
Sie, Peterson!«, rief er. »Sagen Sie mir, was da vorgeht.«
    Es wäre
schwierig für ihn gewesen, seine Aufregung zu erklären. Er war erst eine
Stunde allein, und es gab keinen Hinweis darauf, dass irgendetwas nicht
stimmte: Kein Geräusch war nach unten gedrungen, er hatte nichts als sein
Wissen darum, dass Fosko zurück war und nach Sonja suchte. Pavel war sicher,
dass sie in Gefahr war, konnte in seiner Zelle aber nur hilflos schreien.
Wieder rief er, schrie und spürte, dass er heiser wurde.
    Er bekam
keine Antwort.
    Sie hatte vergessen, wie fett er
war, und wie schnell. Sonja packte gerade, als es klingelte, hatte ihre
Besitztümer nach Wichtigkeit geordnet, ein Koffer für das Notwendige, einer für
den Luxus. Legte ihre Blusen wieder und wieder zusammen und wartete nervös auf
die Rückkehr des Jungen. Dann die Klingel. Mechanisch faltete sie noch einen
Kragen, trat hinter dem Küchentisch vor und ging zur Tür. Ihre Hand lag noch
auf der Klinke, als Fosko hereinstürmte und riesig in ihrem Wohnzimmer stand.
    Mein Gott, war er fett.
    Nerz- und schmuckbehängt.
    Der Affe
stieß einen freudigen Schrei aus, sprang zu ihm und umklammerte sein Bein. Der
Colonel bückte sich, fasste ihn beim Genick und hob ihn hoch.
    »Du hast
ihn nicht gefüttert«, beschwerte er sich. »Er sieht dürr aus.«
    Sie hatte
auch seine Stimme vergessen, die Nässe seiner Lippen. Die Hände, so pummelig
wie die eines Chorknaben. Sonja wich zurück. Sie wünschte, er würde das Reden
überspringen und gleich mit dem Schlagen anfangen. Das würde es einfacher
machen.
    »Oje, wie
viel Ärger du mir bereitet hast. Du und dein traumäugiger Liebhaber. Erst
Söldmann, dann Boyd, der ganze endlose Tanz, nur um zu sehen, wer die Ware
hat, und jetzt habe ich einen russischen General am Hintern, wegen eines toten
Soldaten, und einen Ami im Keller, der mir die Haare vom Kopf frisst.«
    Er ließ
den Affen auf ihr Bett fallen und trat einen Schritt auf sie zu.
    »Lebt er noch?«, versuchte sie es.
»Sag mir, lebt Pavel noch?« Er lächelte. Die fetten Lippen lächelten. In ihren
Ecken glänzte Spucke.
    »Gut
geht's ihm. Macht meinem lieben Peterson schöne Augen. Noch eine Woche, und
die beiden brennen zusammen durch.
    Aber natürlich haben sie nicht mehr so lange. Die Romanze
findet ein abruptes Ende. Das Jahr, es beginnt mit einer Tragödie.«
    »Was wirst du mit ihm machen?«
    Er zuckte
mit den Achseln und kam näher. »Du hast genug andere Dinge, um die du dich
sorgen kannst.«
    Er
berührte sie fast. Sie stand gegen den Küchentisch gedrückt. Ein Messer hätte
auf dem Tisch liegen sollen. Aber da war keines. Da lag nur ein Höschen,
Pariser Spitze, im Schritt ausgebessert. Sie sah, dass er es sah.
    »Den Film,
Sonja«, flüsterte er. »Gib mir den Mikrofilm.« Er streckte die Hand aus. Die
Nägel waren gefeilt und zartglänzend lackiert. »Bitte.«
    Sie gab
ihm den Film. Was zum Teufel hätte sie auch sonst tun sollen? Holte ihn aus der
Küchenschublade und legte ihn in die dickfingrige Hand. Ohne ein Wort des
Protests, resigniert. Seine Gegenwart juckte ihr auf der Haut. Er hob den Arm
und strich ihr über die Wange.
    »Gut. Das
war doch nicht schlimm.«
    Mit einem
Mal wurde ihr schwindelig. Sie wankte, und er musste sie bei der Achsel

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