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Vyleta, Dan

Vyleta, Dan

Titel: Vyleta, Dan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pavel und Ich
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ein weiteres Maul stopfen zu müssen, doch die
Briefmarkensammlung, die ihm der entehrte Nazi gab, vermochte Herrn Braun die
bittere Pille wesentlich zu versüßen. Nicht, dass Manfred Braun etwas für
Briefmarken übrig gehabt hätte, aber er fand bald heraus, dass er für eine
einzige vornapoleonische Thurn und Taxis gut und gerne fünf Pfund frischen
Rinderbraten bekam, und das reichte ihm.
    Es hat
jedoch keinen Sinn, länger bei Haldemann zu verweilen. Er war ein
verängstigter alter Mann mit Verbrechen auf dem Gewissen und einem Kopf voller
Formeln, mit denen sich die Welt in Brand setzen ließ. Vor allem aber war er
tot, starb im Gehen, die Hände taub und die Füße hilflos nach Halt suchend, um
einem Sturz zu entgehen.
    Viele
Schmerzen kann er nicht gehabt haben. Dafür war die Exekution zu professionell.
Der Scharfrichter war es, den man bedauern sollte. Der stand mit feuchten Augen
vor Lews geladener Pistole und fragte sich, ob er nicht gerade den Tod zu
denen gerufen hatte, die er am meisten liebte.
     
    Anders war unruhig. Pavel und der
blonde Russe waren seit mehr als einer Viertelstunde drüben in dem Haus. Wie
lange konnte es dauern, jemanden abzuholen. Sonja sagte, der Mann heiße
Haldemann. Irgendwie kam ihm der Name bekannt vor, vielleicht hatte er ihn im
Radio gehört. »Ist er wichtig?«, fragte er.
    »Fosko war
bereit, tausend Pfund für ihn zu bezahlen.«
    Der Junge
stieß einen Pfiff aus. Er hatte noch nie eine auch nur annähernd so wichtige
Person getroffen.
    Sein
Körper schmerzte, und mittlerweile war er sich sicher, dass in ihm ein Leck war
und ihn langsam mit seinem eigenen Blut füllte. Falls das so war, hoffte er,
dass Pavel noch rechtzeitig zu ihm zurückkam. Vielleicht würde er ihn noch
einmal küssen, ob es nun eklig war oder nicht.
    Sonja saß
steif wie eine Puppe neben ihm. Sie reagierte nicht, als er nach ihrer Hand
griff und sie drückte, auch nicht, als er ihr eine Haarsträhne zur Seite schob,
die ihr ins Gesicht gefallen war.
    »Kein
Grund zur Sorge«, flüsterte er ihr zu. »Gleich sind sie wieder da.« Er konnte
nicht sagen, ob sie ihn gehört hatte oder nicht. Anders fragte sich, wie sie
nur so unbewegt sein konnte.
    Endlich
kam Pavel. Er trug einen alten Mann auf dem Arm und wankte unter dessen
Gewicht. Eine schmale längliche Verfärbung war in Pavels Gesicht zu erkennen,
vom Ohr bis zum Mund. Anders hörte Karpow auf Russisch fluchen. Sonja saß immer
noch völlig reglos da, nur ihre Lippe fing an zu zittern. Anders wünschte, sie
würde sich irgendwie fassen und ihm sagen, was verdammt noch mal da los war.
     
    Sie sah es und wusste, dass er für
sie verloren war. Vielleicht hatte sie es schon gewusst, als er aus dem Auto
stieg. Er hatte sie nicht geküsst. Sie hatte ihn nicht darum gebeten. Es hätte
ihrer beider Gefühl für Anstand verletzt. Jetzt trug er eine Leiche.
    Ihr war
klar, dass er den Mann getötet haben musste. Es stand ihm ins Gesicht
geschrieben, und sie sah es auch an der zornigen Geste des jungen Wasserauges.
Der Gedanke ließ sie frösteln: dass ihr Pavel ein Mörder war. Alles endete
hier. Die einzige Frage für sie war jetzt noch, ob sie selbst die Nacht
überleben würde. Plötzlich wuchs in ihrer Brust ein enormes Bedürfnis nach
Leben. Es überraschte sie. Sie sah, wie Karpow voller Wut auf Pavel zurannte.
Jetzt kam auch der dritte Russe aus dem Haus und sah, dass sie unbewacht waren.
Er eilte zum Auto und wedelte mit der Pistole durch die Luft. Keiner von ihnen
hatte Anstalten gemacht zu fliehen.
    Sonja
beobachtete, wie die beiden miteinander redeten, Pavel und Karpow. Erst war
der Russe noch ungeheuer aufgeregt, aber ein paar Augenblicke später schon
hatte er sich beruhigt. Das Zigarettenetui tauchte in seiner Hand auf und
ersetzte die Pistole. Die beiden Männer schlenderten die Straße hinunter,
rauchten und redeten. Wahrscheinlich verhandelten sie über Anders' Leben und
über ihres. Zorn erfüllte sie, dass es so lief: Zwei rauchende Männer befanden
darüber, ob sie leben sollte oder nicht. Pavel sah aus, als hätte er nie etwas
anderes getan. Gott allein wusste, was er noch als Faustpfand in der Hand
hielt. Sie fürchtete, dass er längst seinen letzten Trumpf ausgespielt hatte.
Pavel hatte die Leiche abgelegt, und der alte schnauzbärtige Mann lag auf den
Pflastersteinen, den Kopf lose am Körper.
    Das Genick gebrochen. Sonja sah
zurück auf Pavels Hände und konnte keine Spur von Gewaltanwendung an ihnen
entdecken. Vor nur einer

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