Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Vyleta, Dan

Vyleta, Dan

Titel: Vyleta, Dan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pavel und Ich
Vom Netzwerk:
Ewigkeit
zugeflüstert hatte. Das war, bevor er sich zum Liebhaber von Frauen machte, die
sich verkauften, um ein angenehmeres Leben zu haben. Vor dem Krieg, dem
Frieden und seiner Entscheidung, zu bleiben. Das ganze Gewicht seines Lebens
senkte sich in diesem Moment auf seine Schultern, und für eine Sekunde
fürchtete er, dass sich Tränen in seinen Augen bilden würden. Aus der Küche
wehte der Geruch einer Kartoffel-Lauch-Suppe herüber. Sein Magen knurrte und
verscheuchte die Weihnachtsgedanken. Er hatte den ganzen Tag nichts gegessen.
    »Könnte
ich einen Teller Suppe bekommen?«, fragte er.
    Paulchen
sah ihn ungläubig an. Er stand kurz davor zu explodieren, überlegte es sich
dann aber anders und nickte zustimmend. Ein Junge, Salomon, löste sich aus der
Gruppe auf dem Sofa und lief in die Küche. Wenig später kam er mit einer Tonschale
voll Suppe und einem Stück dunklem Brot wieder.
    »Hier,
Herr Richter«, sagte er. Die anderen Jungen betrachteten das als einen Akt der
Kollaboration, wie Pavel bemerkte. Der kleine Salomon würde eine unruhige Nacht
haben.
    Pavel aß
gierig, Suppe und Brot waren in wenigen Minuten verschwunden. Die Suppe hätte
ein wenig mehr Salz vertragen können, ansonsten war sie gut gekocht. Diese
Räuberbande schien eindeutig für sich sorgen zu können. Als er fertig war,
stellte Pavel den Teller neben den Baum und wandte seine Aufmerksamkeit wieder
Paulchen zu.
    »Wo ist Anders?«, fragte er.
    »Das wissen Sie nicht?«
    »Nein.«
    »Wir dachten, Sie wüssten es.«
    »Nun, das tue ich nicht.«
    »Er hat meine Pistole gestohlen.«
    »Das hat Sal... Schlo' mir erzählt. Was hat er damit vor?«
    »Wie zum Teufel soll ich das wissen? Wahrscheinlich will
er einen erschießen.«
    »Wen?«
    »Er hat
gesagt, dass ihm einer seinen Mantel geklaut hat. Vielleicht will er den erschießen.«
    »Jemand hat seinen Mantel gestohlen?«
    »Ja, den
schönen, den er von Ihnen hatte, mit den Blutflecken hintendrauf. Wobei er, ich
weiß nicht wie, an genug Geld gekommen ist, sich einen noch besseren zu
besorgen. Mit Fell und einem so breiten Kragen.« Theatralisch hielt Paulchen
die Hände vor sich hin. »Er konnte sich also eigentlich nicht beklagen.«
    »Verstehe.
Hat er gesagt, wer ihm den Mantel abgenommen hat?«
    »Nein.«
    »Hat er vom Colonel geredet?«
    »Vom Colonel?«
    »Fosko.
Colonel Fosko. Das ist der große, fette Kerl, der den Stadtteil
hier unter sich hat. Ihr seid ihm doch sicher schon begegnet.«
    »Ach, der
Schwule. Ja, Anders hat kürzlich erst von ihm geredet. Ich habe ihm gesagt, er
soll sich vor dem Kerl hüten. Was haben Sie mit ihm zu tun?«
    Pavel
dachte einen Moment lang nach. Schließlich sagte er: »Ich glaube, er hat meinen
Freund umgebracht.«
    Es fühlte
sich gut an, das laut auszusprechen.
    »Und jetzt
denken Sie, er könnte Anders ebenfalls erledigen, wie?«
    Paulchen
sagte das unbeteiligt, aber Pavel glaubte, Sorge in seinem nicht geschwollenen
Auge zu erkennen. Salomon hatte allerdings genug gehört. Pavel sah, wie er sich
hinausdrückte, als wollte er mit den ganzen Geschichten nicht länger etwas zu
tun haben, obwohl er doch später zum Schlafen, und weil er die Kameradschaft
der anderen brauchte, wieder herkommen musste. Pavel hätte ihm gerne gesagt, er
solle doch bleiben und dass alles in Ordnung käme, aber dafür war keine Zeit.
Der Häuptling war noch nicht mit ihm fertig.
    »Auf jeden
Fall«, sagte dieser jetzt, »mache ich Sie für den Diebstahl meiner Pistole
verantwortlich.«
    Pavel
widersprach ihm nicht. Natürlich war es lächerlich, aber er verstand Paulchens
Logik. Auf diese Weise musste er Anders nicht wie einen Hund jagen, um sich die
Gefolgschaft seiner Bande zu sichern, und sich auf keine Grausamkeiten
verlegen, die seiner Natur widersprachen.
    »Was
willst du?«, fragte er nachgiebig. »Eine Pistole habe ich nicht.«
    »Haben Sie
Geld?«
    Pavel
dachte nach. »Ja«, sagte er. »Ich habe Geld.«
    »Schlo'
sagt, Sie leben arm wie eine Kirchenmaus, nur dass Sie Regale voller Bücher
haben.«
    »Es gibt
da eine Frau bei mir im Haus. Sie wird mir das Geld geben.«
    Er
wunderte sich, wie leicht es war, das zu sagen und Sonjas Reichtümer zu
verteilen, bevor er noch ihr Herz gewonnen hatte. Es war, als erklärte er sie
insgeheim zu seiner Frau, als hätte er irgendwann im Verlauf der Ereignisse die
Überzeugung gewonnen, sie stünde zu seiner Verfügung. Das war schlimmer als
dumm: Es war heimtückisch.
    »Sie wird
mir das Geld geben«, wiederholte er noch

Weitere Kostenlose Bücher