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Vyleta, Dan

Vyleta, Dan

Titel: Vyleta, Dan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pavel und Ich
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gelassen hatte. Anders
fragte sich, wie Pavel reagieren würde. Es war schwer abzuschätzen. Pavel war
in letzter Zeit nicht er selbst gewesen, nicht seit den Nieren, und diese Frau
machte ihn ebenfalls zum Narren, obwohl sie eigentlich ganz in Ordnung war. Er
hoffte, dass das, was Pavel auch immer im Futter seines Mantels finden mochte,
etwas war, von dem er wusste, wie er es loswerden konnte. Vielleicht waren es
Diamanten, grübelte Anders, vielleicht auch eine Million Reichsmark in protzigem
Schmuck, oder der Beweis, dass Hitler noch lebte und Rache plante. Wie auch
immer, er war sich sicher, dass Pavel schon wissen würde, was damit zu machen
wäre. So einen Mann wie Pavel hatte es noch nicht gegeben, auch wenn er geheult
hatte.
    Ein oder
zwei Stunden vergingen, bis Pavel selbst auf der Bildfläche erschien. Seine
Mütze tief ins Gesicht gezogen, trat er aus dem Haus. Wegen des
aufgeschnittenen Futters hing der Mantel komisch von seinen Schultern. Anders
widerstand dem Impuls, ihn zu rufen und zu begrüßen. Stattdessen studierte er
Pavels Gang und stellte befriedigt fest, dass ihm die Nieren offenbar kaum noch
Schwierigkeiten machten. Pavel war noch keine zwanzig Schritt die Straße
hinunter, als ein zweiter Mann aus dem Hauseingang gelaufen kam. Der Mann trug
einen anständigen Mantel, war mittleren Alters, beleibt und hatte eine Augenklappe.
Über dem anderen, dem guten Auge, spross eine dichte Braue. Der Mann folgte
Pavel, ohne sich groß zu bemühen, unentdeckt zu bleiben. Schon bald waren die
beiden außer Sicht. Anders' Mitbeobachter im Auto sah ihnen interessiert hinterher,
machte aber keine Anstalten, ihnen zu folgen. Anders fragte sich, nach wem er
wohl Ausschau hielt.
    Minuten
später erschien der Colonel. Er parkte seinen Wagen ein Stück die Straße hinauf
und schlenderte in seinem Nerzmantel fett und großspurig heran, eine
Swingmelodie auf den fleischigen Lippen. Anders zog die Pistole hervor und
zielte. Der Mann im Auto ließ sich, wie Anders sah, tief in seinen Sitz sinken,
um nicht entdeckt zu werden. Es würde ein schwieriger Schuss werden, zehn
Meter durch die Dunkelheit und über das Dach des Autos hinweg. Grübelnd, die
Zähne in die Lippe gegraben, entschied sich Anders, noch nicht zu schießen. Es
würde eine bessere Möglichkeit geben, eine, bei der er sicher sein konnte, den
Kerl zu erwischen. Er steckte die Arme zurück in den Schlafsack und rieb sie
sich am Körper warm. An den Heringsgeruch hatte er sich mittlerweile gewöhnt,
er roch ihn kaum noch. Das war gut so, denn hätte er ihm länger in der Nase
gehangen, hätte er ihn womöglich hungrig gemacht.
    Anders
achtete nicht weiter darauf, als ein Mann mit einem großen Bündel in den Armen
die Straße entlangkam und in Pavels Haus verschwand, um eine gute Weile später
ohne Bündel wieder aufzutauchen. Der Junge nahm an, dass es einer von Foskos
Männern war, aber es schien ihm unmöglich, sie alle im Blick zu behalten. Er
war sowieso nur darauf aus, dass Pavel nichts zustieß und sich Fosko vor seine
Pistole bewegte. Das war nicht zu viel verlangt von diesem Tag. Er überlegte,
ob er Gott um Hilfe bitten sollte, aber es war unklar, ob Ihn das interessieren
würde. Also wartete Anders weiter, ohne Gebet, und überließ die Religion denen
mit frömmeren Wünschen.
    Es dauerte
ewig, bis Pavel zurückkam, unbelästigt, den Einäugigen direkt hinter sich.
Pavel schien glücklich, aber leicht abwesend, öffnete die Tür mit einigem
Schwung und rannte fast die Treppe hinauf. Der Junge dachte, dass er sicher zu
Sonja wollte, aber das machte nichts. Pavel, das hoffte er, würde bald schon
erkennen, dass sie letztendlich nur ein Flittchen war.
    Dann
geschah etwas Schreckliches. Ein Mann kam von der anderen Seite die Straße
heruntergeschlichen, und zwar so leise, dass Anders ihn erst bemerkte, als er
fast neben ihm stand, allerdings ohne dem Haufen Sandsäcke irgendeine
Beachtung zu schenken. Er schlich sich an das Auto heran, den Blick auf den
Spiegel gerichtet, der vereist und blind aus der Seite der Karosserie wuchs.
Anders überlegte, ob er den Mann drinnen warnen sollte, überlegte, zögerte, lag
sprachlos flach auf dem Bauch. So hatte der Fremde ausreichend Zeit, sein
Vorhaben auszuführen. Ohne ein Innehalten oder Zögern öffnete er die Tür, und
wie aus dem Nichts erschien ein Messer in seiner Hand. Der Mann im Auto sah zu
dem Eindringling auf, mit seinen geröteten Augen, die Bewegungen träge. Es gab
keinen Kampf. Das Messer fuhr

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