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Vyleta, Dan

Vyleta, Dan

Titel: Vyleta, Dan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pavel und Ich
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Ausdrücke, die sich irgendwann einmal als nützlich
erweisen könnten. Zum Geschichtenschreiben. Ich meine, ich habe Sachen gesehen
...«
    Ich machte
eine unglückliche Geste, die hinaus in die weite Welt deuten sollte, Pavel aber
muss gedacht haben, ich wollte seinen Blick auf die Folterinstrumente lenken.
»Sachen, von denen die meisten Leute nicht einmal träumen würden.«
    Er
schnaubte und schüttelte den Kopf. Auf seinen Lippen lag der Schatten eines
Lächelns, obwohl seine Augen hart wie Granit waren. Ich dachte, er wollte etwas
entgegnen, doch er hielt sich an seinem Schweigen fest wie an einer Waffe. Die
Minuten rannen dahin. Ich hätte ein Bad brauchen können, und einen Fingerbreit
Scotch. Meine Unterwäsche war schweißgetränkt.
    »Was?«,
fragte ich, als klar wurde, dass er es bei seinem Lächeln belassen wollte. Ich
ärgerte mich, so offen mit ihm gewesen zu sein. »Sollte ein Mann wie ich etwa
nicht schreiben dürfen?«
    Er schob
die Lippen vor, als wollte er mir einen Kuss zuwerfen. Es war das erste Mal,
dass ich sah, wie sich Spott auf sein Gesicht legte.
    »Ein
Folterer, der Geschichten erzählt?«, fragte er. »Oder verhält es sich
andersrum? Sind Sie eigentlich ein Geschichtenerzähler, der sich auf der Suche
nach Inspiration auf das Foltern verlegt hat? Ist es das, was Sie tun? Auf die
Leute einschlagen, bis sie nackt vor Ihnen stehen? Geschichten stehlen, so wie
Vergewaltiger Küsse stehlen?«
    »Wie gut
können sie schon sein?«, fragte er. »Die Geheimnisse, die man preisgibt, nur
um Sie zum Aufhören zu bringen?«
    »Halten
Sie mir keinen Vortrag über Verantwortung«, sagte er. »Es gibt einen Grund,
warum ich die Liste verbrannt habe.«
    »Manche
Geschichten«, sagte er, »die geben ein Urteil über ihren Erzähler ab.«
    »Erzählen
Sie mir, was mit Boyd geschehen ist.«
    »Erzählen
Sie es mir«, rief er. »Erzählen Sie mir, wie Sie ihn umgebracht haben.«
    »Erzählen
Sie es mir«, wiederholte er, »und vielleicht können wir uns dann wie Männer unterhalten.«
    Seine
Augen strahlten wie Kohlenglut im Wind.
    Ich
gestehe, dass ich seine Tirade nicht ertrug und buchstäblich aus dem Keller
davonlief. Dabei knallte ich ganz bewusst die Tür hinter mir zu. Mrs Fosko war
in der Küche, mit einem dampfenden Topf Pudding in den Händen, und sah mich
komisch an. Ich schnappte nach Luft und sagte, wir hätten Ungeziefer im Keller.
    Sie
kräuselte die Nase.
    »Versuchen
Sie es mit Arsen«, riet sie mir und trug ihren englischen Pudding hinüber ins
Wohnzimmer, um ihre Brut damit zu füttern. Ich blieb eine Weile da und sah zu,
besänftigt durch ihr mütterliches Gebaren.
     
    Natürlich gab es Dinge, die ich zu
meiner Verteidigung hätte vorbringen können. Aber sie fielen mir erst ein, als
ich wieder zu Hause war und mich schlaflos auf meiner Matratze herumwälzte. Er
wusste rein gar nichts über mich. Schlimmer noch: Er wollte nichts wissen. Saß
da in seiner Gefängniszelle, brütete über Dingen, an denen er nichts ändern
konnte, und hatte nicht einen Gedanken dafür, dass ich, sein Wärter, meine
eigenen Zweifel und Sorgen haben mochte. Und machte ich ein großes Theater
darum? Das hätte ich durchaus gekonnt, wissen Sie: hier ganz öffentlich meine
Wäsche waschen, über Seiten hin, so lange, bis selbst Sie mich lieben lernen,
mich, den Mann, der vom Knochenbrechen lebt. Hatte ich nicht einmal eine Frau
(wer will schon etwas von ihr hören?), die an Krebs starb und die wir unter
einer groben Steinplatte begruben, der Boden hart gefroren und das Wetter mehr
als mies? Und habe ich nicht die Geschichte meines Auges für mich behalten, das
ich durch einen Granatsplitter und die unfähige Fummelei eines Doktors verlor?
Den Schrecken, einen Finger in die Höhle zu stecken und sie leer vorzufinden,
bis auf eine dickflüssige Masse, die nichts mehr fühlte und erst recht nichts
mehr sah? Und am Morgen danach beim Aufwachen dieses Pochen und Jucken und der
Gedanke, dass ich nur mein Lid öffnen müsste und da wäre sie, Gottes geliebte
Sonne, die mich blinzeln ließ (und wie ich aufheulte, als ich die Wahrheit
erfuhr)? Oh ja, Sir, ich habe es auch nicht einfach gehabt. Hatte einen Vater,
der schnell mit dem Gürtel bei der Hand war und auch die Schnalle benutzte,
wenn das Vergehen es verlangte. Ein Jahr in der Armee, das mit einer
plötzlichen Entlassung endete und einem Zusammenstoß mit dem Gesetz. Eine erste
Leidenschaft (sie war ein Rotschopf namens Ginny, ein liebes Mädchen mit Eutern
wie

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