Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Vyleta, Dan

Vyleta, Dan

Titel: Vyleta, Dan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pavel und Ich
Vom Netzwerk:
Russen hielten. Wenn sie allerdings nur
einen Blutflecken im parfümierten Bett einer Hure fanden, hatte er gute
Chancen, sich aus der Sache herauslavieren zu können. Also nahm er die Leiche,
warf sie in den Koffer, mit dem er Sonjas Habseligkeiten hergebracht hatte,
schleppte das Ding die Treppe hinunter, durch die Hintertür aus dem Haus und
warf den toten Zwerg über die Mauer. Gott sei Dank hatte er auch selbst dort
hinten geparkt, aus langjähriger Gewohnheit, Vorsicht walten zu lassen. Der
Motor sprang trotz der Kälte an. Die Scheinwerfer schaltete er erst ein, als er
lange aus dem Sektor war.
    Boyd fuhr
zu einer Kneipe, rief einen Freund an, trank ein Glas und verschwand wieder.
Draußen türmte sich der Schnee höher und höher. Irgendwie ließ er ihn an Katzen
denken. Um die Sache glaubhaft zu machen, bearbeitete er den Zwerg in einer
Seitengasse mit seinem Wagenheber und ließ auch seine Stoßstange nicht
ungeschoren. Als wir sein Auto zwei Tage später durchsuchten, sah es
tatsächlich so aus, als hätte er einen Unfall gehabt, obwohl ich bezweifle,
dass ein Zwerg eine so große Delle verursacht hätte.
    Währenddessen
saß in der Lützowstraße ein einsamer Mann frierend in seinem Auto, sah das
Spektakel, das die deutsche Polizei und die russische Militärpolizei
veranstalteten, verfolgte, wie sie erst das eine, dann, der klugen Intuition
eines Leutnants folgend, das andere Haus durchsuchten, und fragte sich, was
zum Teufel da bloß vorging. Er hatte seinen kleinen Boss erst kurz vorher hier
abgesetzt und war angewiesen worden, auf ihn zu warten, bis er sein amouröses
Geschäft verrichtet hatte. Wir haben den Burschen bereits einmal gesehen, wenn
auch nur kurz, auf einer körnigen Fotografie in jenem russischen Verhörraum, in
dem Pavel zum ersten Mal Söldmanns Namen hörte: einen massigen jungen Schläger
mit Franz-Joseph-Bart und einer großen Narbe auf der Wange. Er war die rechte
Hand des Gangsters, seit den ersten Tagen dabei und trug den aristokratischen
Namen Arnulf von Schramm, obwohl er der größte Prolet war und obendrein noch
ein Dummkopf. Schramm wartete die halbe Nacht, wobei ihm bewusst war, dass sein
Boss die Verabredung mit dem Russen verpasste. Söldmann kam nicht wieder aus
dem Haus, und Schramm sah auch nicht, dass die Polizei den Kleinwüchsigen
herausgetragen hätte, womit die Sache, wenn auch auf bittere Weise, zu einem
Abschluss gekommen wäre. Am Ende fuhr er nach Hause und hoffte darauf, das
Geheimnis würde sich schon irgendwie klären. Man hätte denken sollen, dass er
die Situation beobachten, dem möglichen Wiederauftauchen der Ware nachgehen
und nach Söldmanns Quellen graben würde. Tatsächlich tat er nichts dergleichen,
sondern tauchte einfach ab und betrank sich, trank fünf Tage am Stück und
wurde mit jedem Schluck weiter aus unserer Geschichte geschwemmt.
    Ich bedaure das nicht. Schramms
Leute hatten den Krieg verloren. In Berlin waren sie nur noch eine
Randgeschichte.
    Während
Schramm noch im Auto wartete, kam der Mörder des Zwergs in der Villa an, die
Ledertasche wie einen blutigen Talisman unter dem Arm. Der Colonel untersuchte
ihren Inhalt aufs Genaueste, mit dem Ergebnis, dass Söldmann die Tasche als
eine Art Ablenkungsobjekt bei sich getragen haben musste. Falls er die Ware
überhaupt dabeigehabt hatte, war sie ihnen durch die Lappen gegangen. Ein paar
missgelaunte Stunden lang ging Fosko davon aus, dass sie den Russen in die
Hände gefallen war, da er annahm, dass sie Söldmanns Leiche mitgenommen hatten.
Irgendwann nachts jedoch erfuhr er über einen Informanten bei der Wilmersdorfer
Polizei, dass gar keine Leiche gefunden worden war. Das war das einzige Mal,
dass ich sah, wie der Colonel in offenen Jubel ausbrach. Er ging sogar so weit,
mir eine seiner begehrten Zigarren anzubieten. Rauchend saßen wir da und aßen
Räucherhering zum Frühstück.
    Eigentlich
hätte jetzt alles ganz einfach sein sollen. Boyd White musste die Ware haben,
oder wenigstens die Leiche. Fosko ließ Sonja ihren Boyd am Mittag des 19.
Dezember anrufen.
    »Jemand
hat Söldmann umgebracht«, hauchte sie in den Hörer. »Ich habe ihn tot auf
meinem Bett gefunden.«
    Sie
verabredeten, sich abends in einer ruhigen Nebenstraße zu treffen.
    Ich will
über meine Befragung Boyds keine großen Worte machen. Ich hatte Hilfe dabei
(der Mann mit dem Messer war da, und auch Easterman, das Trampeltier). Boyd
fing an zu schreien, noch bevor wir ihm auch nur einen Nagel herausgezogen

Weitere Kostenlose Bücher