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Wach nicht auf!: Roman (German Edition)

Wach nicht auf!: Roman (German Edition)

Titel: Wach nicht auf!: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jess McConkey
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Hier sind Kunden, die Köder wollen.« Ohne abzuwarten, ob er ihren Worten Folge leistete, machte sie auf ihren vernünftigen Schuhen kehrt und stapfte in den Laden zurück.
    Er entfernte sich rasch. »Ich muss los.«
    »Werden Sie Ihren Termin diese Woche einhalten?«, rief Anne ihm nach.
    »Ich versuche es«, gab er über die Schulter zurück und verschwand dann im Köder-Haus.
    Anne ging entmutigt zu ihrem Wagen. Noch beim Ausparken kam sie nicht über Esthers Haltung hinweg. Edward litt an einem komplexen regionalen Schmerzsyndrom. Mit diesem komplizierten Namen wurde eine Krankheit bezeichnet, die ihn mit permanenten Schmerzen peinigte. Man sollte meinen, Esther würde ihren Sohn bei den Versuchen unterstützen, Erleichterung zu finden. Aber nein. Anscheinend war sie auf nichts als Störmanöver aus.
    Anne schüttelte den Kopf und bog in die Straße ein, die zu ihrem Haus führte. Warum nur? Hatte Esther Angst, dass Edward seine Abhängigkeit von ihr verlieren würde, wenn er lernte, den Schmerz zu kontrollieren? Es war einfach nicht zu begreifen.

3
    Winzige gelbe Lichtpunkte glühen zwischen den hohen Kiefern hindurch. Einer nach dem anderen gehen sie aus, die Nacht wird tiefer, und die Geisterstunde naht. Schließlich erlischt auch das letzte Licht, und Frieden senkt sich herab.
    Endlich bin ich allein im Dunkeln.
    Nein , sagt die Stimme in meinem Kopf, du bist nicht allein … sie ist immer noch hier und wartet auf dich.
    »Schluss jetzt«, flüstere ich, laut genug, um die Stimme zum Schweigen zu bringen. »Darüber werde ich jetzt nicht nachdenken.«
    Ich überquere die Veranda, mache die Fliegengittertür auf und suche meinen geheimen Vorrat. Eine Flasche Glenlivet Single Malt Scotch. Ich schenke drei Finger hoch ein und schwenke die tiefgoldene Flüssigkeit im Glas. Der volle, blumige Duft steigt in die Luft auf. Ich trinke einen kleinen Schluck, schließe die Augen und genieße den milden Geschmack. Zufrieden gehe ich zur Stereoanlage und schalte sie ein. Die ergreifenden Klänge von Debussys »Clair de Lune« dringen aus den Lautsprechern. Meine Finger bewegen sich im Takt mit jeder hinreißenden Note, als würde ich selbst spielen.
    Ein zufriedenes Lächeln umspielt meine Lippen, und nach dem ich die Lautstärke geregelt habe, kehre ich zu meinem Platz auf der Veranda mit Blick auf den See zurück. Ich ziehe mir einen Stuhl heran, lege die Füße aufs Geländer, kippte den Kopf nach hinten und lasse mich von der Musik davontragen.
    Weit, weit weg, bezirzt mich die Stimme in meinem Kopf. In meiner Einsamkeit kann ich mir vorstellen, dass ich irgendwo auf der Welt bin, nur nicht hier. New York, Paris, London … Großstädte mit Klasse und Stil, Großstädte, in denen das Leben pulsiert. Dort gehöre ich hin. Nicht hier in die Wälder, in dieses verschlafene Nest, wo das Angelturnier am Wochenende schon das größte Ereignis ist.
    Ich packe das Glas fester.
    Es ist nicht meine Schuld, dass ich hier bin. Wenn man mir die Chancen gäbe, die ich verdiene, und wenn sie mich nicht zurückhielte, könnte ich in diesem Augenblick in einer dieser Großstädte sein und mich mit bedeutenden Personen intelligent unterhalten.
    Meine Lider schließen sich, während ich die Szene vor meinem inneren Auge aufsteigen lasse. Ich bei einer Party zwischen elegant gekleideten Männern und Frauen. Lächelnd hängen sie an jedem meiner brillanten Worte, und ich weiß, sie denken: Meine Güte, wie klug er doch ist! Unter uns flimmern die Lichter der Großstadt, und aus der Ferne weht das Brausen des Verkehrs durch die Betonschluchten heran. Die Atmosphäre ist so lebendig . Wie elektrisch geladen. Sie erfüllt mich mit Energie, und ich sehe vor mir, wie ich jeden Traum verwirkliche.
    Ich schlage die Augen auf, und das Bild verschwindet. Die Wirklichkeit. Ich bin nicht von strahlenden Großstadtlichtern umgeben, nur die Sterne leuchten über meinem Kopf, und das einzige Geräusch, das ich durch die Musik hindurchhöre, ist der Ruf eines Eistauchers.
    Blöde Vögel, denke ich, kippe meinen Scotch runter und stehe auf. Es heißt, Eistaucher verpaaren sich fürs ganze Leben. Das Bild ihres zerschlagenen Gesichts blitzt vor meinen Augen auf. Nichts währt ewig?

4
    Das Hämmern der Schritte kam näher. Sie holten sie ein. Ein Teil von ihr wollte stehen bleiben, sich umdrehen und ihren Verfolgern entgegentreten. Ihnen sagen, dass sie verschwinden und sie verdammt nochmal in Ruhe lassen sollten. Ein anderer Teil ihrer selbst – der

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