Wach nicht auf!: Roman (German Edition)
auftischte? Das starke Bedürfnis, sich selbst zu schützen, veranlasste sie, den Mund zu halten.
Jackson beugte sich vor und legte die verschränkten Hände auf den Tisch. »Was wolltest du eigentlich beweisen?«, fragte er mit leiser Stimme. »Ich weiß, dass du dich seit dem Unfall unattraktiv fühlst, aber habe ich nicht versucht, dich zu beruhigen, dass das keine Rolle spielt?« Er schüttelte den Kopf. »Hat das nicht genügt? Musstest du gestern Nacht ausgerechnet mit Ted Brighton flirten?«
Ihre Wangen liefen rot an. »Ich habe nicht mit Ted Brighton geflirtet«, erklärte sie.
»Ich weiß nicht, wie man das sonst nennen sollte«, antwortete er schnaubend.
Sie starrte ihn an, ohne ihn zu sehen, und die Angst, die sie vorhin empfunden hatte, kehrte zurück. Nein, Jackson musste sich irren. Eine Erinnerungslücke, nun gut, aber sich völlig untypisch verhalten? Unmöglich. Auch schon vor dem Überfall war sie nicht der Typ Frau gewesen, der sich mal eben an Männer heranschmiss. Das war nicht ihr Stil. Jackson musste ihr Verhalten falsch ausgelegt haben.
»Ich verstehe nicht, wie du mir etwas so Schändliches antun konntest. Du hast mich an sie erinnert«, keifte er. »Habe ich dir nicht tausend Mal erzählt, wie peinlich mir ihr Verhalten war?«
»Jackson – ich weiß über deine Beziehung zu deiner Mutter Bescheid …«
Jackson fuhr mit einem Ruck zurück, verschränkte die Arme vor der Brust und starrte sie wütend an. »Wenn du dich schon nicht zu deinen Flirtversuchen bekennst, wirst du mir dann wenigstens verraten, wieso du ausgerechnet singen musstest?«
Sam blieb der Mund offen stehen, und sie klappte ihn rasch zu. »S-s-ingen?«, stotterte sie.
Er betrachtete sie aufmerksam aus zusammengekniffenen Augen. »Du erinnerst dich nicht daran, oder?« Seine Stimme war voll Misstrauen.
Mit hängendem Kopf erwog sie, sich herauszureden, aber das würde ihr nichts nützen. Er würde wissen, dass sie log. »Nein«, flüsterte sie.
Er stand unvermittelt auf, ging zu ihr und kniete sich ne ben ihrem Stuhl nieder. Seufzend nahm er ihre Hand in seine und fuhr sanft mit dem Daumen über ihre Fingerknö chel. »Samantha, Liebling«, sagte er freundlich. »Ich hatte schon befürchtet, dass etwas in dieser Art passieren würde, als ich erfahren habe, dass du deine Medikamente nicht mehr nimmst.« Mit der anderen Hand hob er ihr Kinn und sah ihr in die Augen. »Du musst darauf vertrauen, dass ich weiß, was das Beste für dich ist. Schließlich liegt mir dein Wohl mehr am Herzen als alles andere.«
Sie wandte den Kopf ab. »Das tue ich doch.«
»Wirklich?«, fragte er, legte ihr eine Hand auf die Wange und zwang sie, ihn anzusehen. »Das hoffe ich sehr. Ich bin Arzt, das weißt du ja«, endete er mit einem Anflug von Humor in der Stimme.
Sam versuchte zu lächeln, aber ihre Lippen zitterten. Wenn sie Jackson gehorchte, würde sie ihre Tage in einem Nebel verbringen. »Aber mit den Tabletten fühle ich mich so schwerfällig.«
Jackson, der die Anspannung in ihrem Gesicht bemerkte, wurde nüchtern und legte ihr beide Hände auf die Schultern. »Du brauchst sie«, beharrte er. »Und jetzt keine Widerrede mehr.« Er beugte sich vor und küsste sie auf die Stirn. »Keine Sorge, mein Liebling«, sagte er flüsternd. »Ich kümmere mich um dich.«
Am Nachmittag – also einige Stunden später als ursprünglich geplant – verabschiedete sich Sam, die noch immer von ihrem Versprechen erschüttert war, ihre Medikamente wieder einzunehmen, recht gedämpft von Jackson. Anne stand daneben, sagte aber nichts. Als Jackson aufgebrochen war, wandte Anne sich an Sam.
»Haben Sie Hunger?«, fragte sie mit gespielter Fröhlichkeit.
»Eigentlich nicht.« Sam warf Anne auf dem Rückweg durch den Vorgarten einen verstohlenen Blick zu. »Hat Jackson Ihnen erzählt, dass ich mich nicht an die Party erinnere?«
Anne blieb vor der Veranda stehen und pflückte eines der Blätter von dem sterbenden Strauch. »Ja, und ich bin froh, dass er das gemacht hat. Wenn ich Ihnen helfen soll, muss ich wissen, was los ist.«
»Glauben Sie, dass ich den Verstand verliere?«, fragte Sam leise.
»Nein«, antwortete Anne mit einem zuversichtlichen Kopfschütteln. »Dr. Van Horn hat gesagt, das seien die Auswirkungen des Medikamentenentzugs gewesen. Wir achten einfach darauf, dass Sie Ihre Medikamente nehmen.«
»Aber ich fühle mich schrecklich, wenn ich sie schlucke«, wandte Sam ein.
»Hätten Sie lieber Blackouts?«, fragte Anne und
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