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Wachen! Wachen!

Wachen! Wachen!

Titel: Wachen! Wachen! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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stählerne Greifklaue eines Industrieroboters, der ein Ei anhebt.
    »Nicht jeder ist so tapfer wie du«, verkündete sie schüchtern.
    »Wie ich?«
    »In der letzten Woche. Als du die aufgebrachte Menge daran gehindert hast, meine Sumpfdrachen zu töten.«
    »Ach,
das!
So etwas hat nichts mit Tapferkeit zu tun. Außerdem waren es nur Leute. Leute sind viel einfacher. Eins sage ich dir: Ich habe keine Lust, noch einmal aus unmittelbarer Nähe in die Nüstern des Drachen zu starren. Manchmal erwache ich tagsüber und erinnere mich daran.«
    »Oh.« Lady Käsedick schien ein wenig enttäuscht zu sein. »Nun, wenn du meinst… Ich habe viele Freunde, weißt du. Falls du Hilfe brauchst – ein Wort genügt. Ich habe gehört, der Herzog von Sto Helit sucht nach einem Hauptmann für seine Wache. Ich setze ein Empfehlungsschreiben für dich auf. Der Herzog und seine Gattin gefallen dir bestimmt. Sollen sehr nett sein.«
    »In bezug auf meine berufliche Zukunft habe ich noch keine endgültige Entscheidung getroffen«, erwiderte Mumm. Es klang mürrischer, als er beabsichtigt hatte. »Ich ziehe das eine oder andere Angebot in Betracht.«
    »Oh, natürlich. Ich bin sicher, du kommst gut zurecht.«
    Mumm nickte.
    Lady Käsedick zupfte an ihrem Taschentuch, drehte es hin und her.
    »Nun gut«, sagte sie.
    »Nun«, sagte Mumm.
    »Wahrscheinlich, äh, möchtest du jetzt gehen.«
    »Ja, ich denke schon.«
    Kurze Stille folgte. Dann sprachen beide gleichzeitig.
    »Es ist sehr…«
    »Ich wollte nur sagen…«
    »Entschuldigung.«
    »Verzeihung.«
    »Ich habe dich unterbrochen.«
    »Macht nichts. War nicht weiter wichtig.«
    »Oh.« Mumm zögerte. »Nun, ich sollte jetzt besser gehen.«
    »Oh. Ja.« Lady Käsedick lächelte gezwungen. »Du kannst die vielen Angebote nicht warten lassen.«
    Sie streckte die Hand aus. Mumm griff vorsichtig danach.
    »Tja, dann gehe ich jetzt«, murmelte er.
    »Besuch mich, wenn du in der Gegend bist«, entgegnete Ihre Ladyschaft etwas kühler. »Errol würde sich bestimmt freuen, dich wiederzusehen.«
    »Ja. Nun. Auf Wiedersehen.«
    »Auf Wiedersehen, Hauptmann Mumm.«
    Er wankte nach draußen, marschierte mit langen Schritten über den dunklen unkrautüberwucherten Pfad und spürte dabei Lady Käsedicks Blick im Nacken – zumindest versuchte er sich einzureden, ihn zu spüren.
Bestimmt steht sie in der Tür und füllt sie fast ganz aus. Sie beobachtet mich. Aber ich drehe mich nicht um. Nein, das wäre dumm. Ich meine, sie ist wirklich nett, hat eine Menge gesunden Menschenverstand und eine enorme Persönlichkeit, aber…
    Ich sehe nicht zurück, auch wenn sie dort drüben steht und mir bis zur Straße nachstarrt. Manchmal muß man grausam sein, wenn man es gut meint.
    Mumm hatte erst die Hälfte des Weges hinter sich gebracht, als er hörte, wie die Tür zufiel. Zorn brodelte in ihm, und er fühlte sich plötzlich so, als habe man ihm irgend etwas geraubt.
    Er blieb in der Dunkelheit stehen und ballte mehrmals die Fäuste. Er war nicht mehr Hauptmann Mumm, sondern Bürger Mumm, und das bedeutet, er konnte sich mit Dingen befassen, von denen er früher nicht einmal zu träumen gewagt hatte.
Wie wär’s, wenn ich das eine oder andere Fenster zertrümmere?
überlegte er.
    Nein, das hatte keinen Sinn. Es verlangte ihn nach mehr. Er wollte es dem verdammten Drachen zeigen, seinen Rang zurück, denjenigen durch die Mangel drehen, der hinter dieser ganzen Sache steckte. Er wollte sich wenigstens einmal vergessen und jemanden bis zur Erschöpfung verprügeln…
    Mumm blickte ins Leere. Vom Hügel aus gesehen war die Stadt eine Ansammlung aus Rauch und Dampf. Doch daran dachte er gar nicht.
    Er dachte an einen laufenden Mann. Und weiter hinten in den wirren Nebelschwaden seines Lebens lief ein Junge, der zu ihm aufschließen wollte.
    »Ist jemand entkommen?« fragte er sich halblaut.

    F eldwebel Colon beendete die Proklamation und musterte die feindselig wirkenden Zuhörer.
    »Gebt nicht mir die Schuld«, sagte er. »Ich lese nur vor. Ich hab’s nicht geschrieben.«
    »Das bedeutet Menschenopfer«, brummte jemand.
    »Mit Menschenopfern ist soweit alles in Ordnung«, kommentierte ein Priester.
    »Ja,
per seh«,
erwiderte der erste Mann hastig. »Wenn es angemessene religiöse Gründe dafür gibt. Und wenn man verurteilte Verbrecher und so benutzt. 22 Aber es geht nicht an, irgend jemanden dem Drachen vorzuwerfen, nur weil ihm der Magen knurrt.«
    »Das ist die richtige Einstellung«, lobte Feldwebel

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