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Wachen! Wachen!

Wachen! Wachen!

Titel: Wachen! Wachen! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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nach seiner Pike, stach mehrmals vergeblich zu – die Klinge prallte immer wieder ab – und schaffte es schließlich, den Kuchen in vier Stücke zu schneiden.
    »Das wär’s«, verkündete er munter. »Eins für jeden von uns, und eins für den Hauptmann.« Er begriff, was er gerade gesagt hatte. »Oh, Entschuldigung.«
    »Ja«, entgegnete Colon halblaut.
    Eine Zeitlang schwiegen sie.
    »Ich habe ihn
gemocht«,
kam es nach einer Weile von Karottes Lippen. »Es tut mir sehr leid, daß er nicht mehr unter uns weilt.«
    Erneut folgte Stille. Sie ähnelte der ersten Stille, war jedoch noch tiefer und wies Furchen aus Niedergeschlagenheit auf.
    »Vermutlich befördert man dich jetzt zum Hauptmann«, sagte Karotte.
    Colon zuckte zusammen. »Mich? Ich lege überhaupt keinen Wert darauf, Hauptmann zu werden! Mit dem ganzen Denken komme ich bestimmt nicht zurecht. Es lohnt sich gar nicht, soviel zu denken, wenn man dafür nur neun Dollar mehr im Monat bekommt.«
    Er trommelte mit den Fingern auf den Tisch.
    »Das ist alles?« fragte Nobby. »Ich dachte, Kommandooffiziere hätten die Taschen voller Geld.«
    »Neun Dollar im Monat«, wiederholte Colon. »Ich habe mal die Soldtabelle gesehen. Neun Dollar im Monat und zwei Dollar Spesen für Federn. Die Zulage hat er nie in Anspruch genommen. Eigentlich komisch.«
    »Von Federn hielt er nicht viel«, warf Nobby ein.
    »Ja«, bestätigte Colon. »Das Problem des Hauptmanns… Nun, ich habe mal ein Buch gelesen, und darin stand, daß in unseren Adern nicht nur Blut fließt, sondern auch Alkohol, eine Art
natürlicher
Alkohol, wißt ihr. Selbst wenn man keinen Tropfen anrührt – der Körper stellt das Zeug trotzdem her. Aber Hauptmann Mumm, tja, er gehört zu den Leuten, deren Körper nicht genug davon produzieren. Es ist so, als sei er zwei Gläser unter dem normalen Niveau geboren.«
    »Donnerwetter!« entfuhr es Karotte.
    »Ja, und deshalb… Ich meine, im nüchternen Zustand ist er
wirklich
nüchtern. Knurd, nennt man so etwas. Ich meine, erinnerst du dich daran, wie es einem geht, wenn man nach einer ordentlichen Zechtour aufwacht, Nobby? Nun, so fühlt er sich
die ganze Zeit über.«
    »Armer Kerl«, sagte Nobby. »Davon wußte ich nichts. Kein Wunder, daß er ständig so schlecht gelaunt ist.«
    »Er versucht dauernd, den normalen Zustand herzustellen, aber er kriegt die Dosis nicht immer richtig hin. Außerdem«, – Colon warf Karotte einen kurzen Blick zu –, »wurde er von einer Frau ruwiniert.«
    »Was
tun
wir jetzt, Feldwebel?« brummte Nobby.
    »Hätte er was dagegen, wenn wir sein Stück Kuchen essen?« fragte Karotte. »Wäre doch schade, es trocken werden zu lassen.«
    Colon hob die Schultern.
    Die beiden älteren Männer schwiegen kummervoll, während sich Karotte den Kuchen vornahm. Seine Zähne verursachten dabei Geräusche, wie man sie von den mit Schaufelrädern ausgestatteten Zerkleinerungsmaschinen in Bergwerken erwartete. Colon und Nobby wären nicht einmal dann hungrig gewesen, wenn man ihnen ein leichtes Soufflé angeboten hätte.
    Sie versuchten, sich ein Leben ohne den Hauptmann vorzustellen. Sicher war es öde und trostlos, selbst ohne Drachen. Eins mußte man Hauptmann Mumm lassen: Er hatte Stil. Es mochte ein zynischer, mit Widerhaken versehener Stil sein, aber er hatte ihn – und sie nicht. Er konnte lange Worte lesen und addieren. Selbst das war Stil, zumindest in gewisser Weise. Er betrank sich sogar stilvoll.
    Colon und Nobby hatten versucht die Minuten zu dehnen, die Zeit zu strecken. Es nützte nichts: Schwarze Dunkelheit kroch heran, verdrängte den Tag. Die Nacht begann.
    Es gab keine Hoffnung für sie.
    Sie mußten nach draußen gehen und mit der Patrouille beginnen.
    Sechs Uhr. Und es war nicht alles gut.
    »Ich vermisse auch Errol«, sagte Karotte.
    »Eigentlich gehörte er dem Hauptmann«, erwiderte Nobby. »Wie dem auch sei: Lady Käsedick kümmert sich bestimmt um ihn.«
    »Wir konnten hier überhaupt nichts liegenlassen«, fügte Colon hinzu. »Ich meine, selbst das Lampenöl. Er hat sogar das Lampenöl getrunken.«
    »Und die Mottenkugeln«, sagte Nobby. »Eine ganze Schachtel Mottenkugeln. Warum sollte irgend jemand Mottenkugeln essen wollen? Und dann der Kessel. Und Zucker. Er war verrückt nach Zucker.«
    »Ich fand ihn nett«, murmelte Karotte. »Freundlich und so.«
    »Oh, ich auch«, bestätigte Colon. »Aber eigentlich… Es ist nicht richtig. Ich meine, ein Haustier, bei dem man immer hinter den Tisch springen muß, wenn

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