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Wachen! Wachen!

Wachen! Wachen!

Titel: Wachen! Wachen! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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hielten.
    »Wir können dir Widerstand leisten!« knurrte der Mann. »Das können wir doch, nicht wahr? Wie war das mit dem vereinten Volk, Feldwebel?«
    »Äh«, sagte Colon und glaubte zu spüren, wie sich sein Rückgrat in Eis verwandelte.
    »Ich warne dich, Drache. Die menschliche Natur ist…«
    Die Zuhörer fanden nie heraus, worin die menschliche Natur bestand, soweit es die Meinung des Vaters betraf. Allerdings… Vielleicht litten einige von ihnen in den nächsten Nächten an Alpträumen, in denen sie noch einmal die nachfolgenden Ereignisse sahen. Vielleicht gelangten sie zu einer ebenso wichtigen wie bedrückenden Erkenntnis, wenn sie mitten in der Nacht schweißgebadet aus dem Schlaf schreckten. Vielleicht begriffen sie dann, daß man in Hinsicht auf die menschliche Natur häufig etwas vergißt: Unter gewissen Umständen mag sie edel und tapfer und wundervoll sein, aber in den meisten Fällen bleibt sie schlicht und einfach menschlich.
    Die Drachenflamme traf den Vater mitten auf der Brust. Für einen Sekundenbruchteil zeichnete er sich als glühende und sehr heiße Silhouette ab, und dann rieselte schwarze Asche aufs geschmolzene Pflaster.
    Das helle Schimmern des Feuers verblaßte.
    Die Leute standen völlig erstarrt und fragten sich, was mehr Aufmerksamkeit erregte: völlige Reglosigkeit oder eilige Flucht.
    Der Drache beobachtete sie, neugierig darauf, wie sie sich jetzt verhalten würden.
    Colon fühlte sich als einziger offizieller Vertreter der Stadt verpflichtet, die Situation unter Kontrolle zu bringen. Er hüstelte.
    »Na schön«, sagte er und versuchte, das Zittern aus seiner Stimme zu verscheuchen. »Wenn ihr jetzt bitte weitergehen würdet, meine Damen und Herren… Geht nur! Hier gibt es jetzt nichts mehr, äh, zu sehen. Glaube ich.«
    Er winkte mit den Armen und trachtete danach, sich besonders selbstbewußt zu geben. Erleichtert stellte er fest, daß die Menge reagierte: Füße setzten sich in Bewegung, trugen Männer und Frauen fort. Aus den Augenwinkeln sah er rote Flammen hinter den Dächern; Funken stoben gen Himmel.
    »Kehrt heim!« Und etwas leiser fügte er hinzu: »Falls ihr noch ein Zuhause habt.«

    D er Bibliothekar wankte aus der Bibliothek des Hier und Jetzt. Wut richtete jedes einzelne Haar an seinem Leib auf.
    Er öffnete die Tür und starrte in die entsetzte Stadt.
    Irgend jemand dort draußen würde bald feststellen, daß der schlimmste Alptraum in einem zornigen Bibliothekar bestand, der eine Dienstmarke trug.

    D er Drache glitt träge über die nächtliche Stadt. Er brauchte kaum mit den Flügeln zu schlagen – der warme Aufwind genügte.
    Überall in Ankh-Morpork brannten Feuer. Zwischen dem Fluß und diversen in Flammen stehenden Gebäuden hatten sich so viele Löschketten gebildet, daß eine neue Art von Delikt entstand: Eimer wurden entführt. Nun, eigentlich benötigte man gar keine Eimer, um das trübe Wasser des Ankh zu transportieren – ein Netz reichte völlig aus.
    Stromabwärts bemühten sich einige rußgeschwärzte Gestalten, die großen und halb verrosteten Tore unter der Messingbrücke zu schließen. Sie stellten Ankh-Morporks letzten Schutz vor einer verheerenden Brandkatastrophe dar. Wenn sie geschlossen waren, gab es keinen Abfluß mehr für den Ankh, und dann quoll die zumindest zähflüssige Masse zwischen den beiden Ufern durch die Straßen und Gassen. Der Gestank stellte eine nicht unerhebliche Gefahr dar: Man konnte darin ersticken.
    Die Arbeiter auf der Brücke waren die einzigen Bürger der Stadt, die nicht fliehen konnten oder wollten. Viele andere dagegen verließen die leidgeprüfte Metropole und eilten über die kalte, von Dunstschwaden umhüllte Ebene.
    Aber nicht lange. Eine Zeitlang beobachtete der Drache die züngelnden Flammen, und dann segelte er anmutig über den Stadtwall hinweg. Nach einigen Sekunden sahen die Wächter aktinisches Feuer im Nebel. Die menschliche Flut wogte zurück, und der Drache folgte ihr wie ein Schäferhund. Die vielen Feuer in Ankh-Morpork schufen einen roten Widerschein unter seinen Schwingen.
    »Hast du irgendeine Ahnung, was wir jetzt unternehmen sollen, Feldwebel?« fragte Nobby.
    Colon gab keine Antwort.
Wäre nur Hauptmann Mumm hier,
dachte er.
Er hätte ebenfalls nicht gewußt, worauf es jetzt ankommt, aber er hat einen größeren Wortschatz, um seine Verwirrung zum Ausdruck zu bringen.
    Einige Feuer erloschen, als steigendes Wasser und das Durcheinander der Löschketten den angestrebten Zweck

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