Wachen! Wachen!
so.
Mumm stach immer wieder zu. Das Messer kratzte übers Gestein und zitterte in seiner Hand.
D er Bibliothekar kratzte sich nachdenklich unter den Achseln und war mit eigenen Problemen beschäftigt.
Die Wut auf Bücherdiebe hatte ihn hierhergeführt, und jener Zorn kochte noch immer in ihm. Gleichzeitig ging ihm jedoch ein aufwieglerischer Gedanke durch den Kopf: Gegen Bücher gerichtete Verbrechen mußten zweifellos als besonders schlimme und verwerfliche Kriminalität eingestuft werden, aber vielleicht war es trotzdem besser, mit der Vergeltung noch ein wenig zu warten.
Den Bibliothekar kümmerte es zwar nicht sonderlich, was sich Menschen gegenseitig antaten, aber gewissen Aktivitäten mußte vorgebeugt werden – für den Fall, daß es die Übeltäter übertrieben und solche Dinge auch mit Büchern anstellten.
Er starrte auf seine Dienstmarke und knabberte versuchsweise daran, um festzustellen, ob sie sich inzwischen in etwas Eßbares verwandelt hatte. Kein Zweifel: Er hatte dem Hauptmann gegenüber eine Pflicht zu erfüllen.
Der Hauptmann war immer freundlich zu ihm gewesen. Und er besaß ebenfalls eine Dienstmarke.
Ja.
Manchmal mußte ein Affe in die Rolle eines verantwortungsbewußten Menschen schlüpfen…
Der Orang-Utan salutierte umständlich und schwang sich in die Dunkelheit.
D ie Sonne stieg höher, kroch wie ein verirrter Ballon durch Rauch und Nebel.
Die Wächter hockten im Schatten eines Schornsteins, warteten und vertrieben sich auf individuelle Art und Weise die Zeit. Nobby untersuchte nachdenklich den Inhalt eines Nasenlochs. Karotte schrieb einen Brief an seine Eltern. Und Feldwebel Colon machte sich Sorgen.
Irgendwann rutschte er voller Unbehagen zur Seite. »Ich glaube, es gibt da ein Problem«, sagte er.
»Wie meinst du das, Feldwebel?« fragte Karotte.
Colon verzog betrübt das Gesicht.
»Nuuun,
was ist, wenn es sich nicht um eine Chance von eins zu einer Million handelt?«
Nobby starrte ihn groß an.
»Was soll das heißen?« fragte er.
»Nun, in
Ordnung,
letzte verzweifelte Chancen von eins zu einer Million funktionieren immer, völlig klar, aber… Mir scheint, dies ist ein Dingsbums, ein ganz besonderer Fall. Das stimmt doch, oder?«
»Keine Ahnung«, antwortete Nobby.
»Stellt euch nur mal vor, es ist eine Chance von eins zu tausend«, brachte Colon gequält hervor.
»Was?«
»Habt ihr jemals gehört, daß man sich auf Chancen von eins zu tausend verlassen kann?«
Karotte hob den Kopf. »Das ist doch Blödsinn, Feldwebel«, sagte er. »Chancen von eins zu tausend sind völlig unmöglich. Die Wahrscheinlichkeit dafür ist mindestens«, – seine Lippen bewegten sich lautlos –, »eins zu Millionen.«
»Ja, Millionen«, pflichtete ihm Nobby bei.
»Mit anderen Worten: Es klappt nur, wenn es eine wahrhaftige Chance von eins zu einer Million ist«, betonte Colon.
»Ich nehme an, das stimmt«, brummte Nobby.
»Eins zu 999943, zum Beispiel
…«,
begann Colon.
Karotte schüttelte den Kopf. »Das wäre ganz und gar aussichtslos. Schließlich sagt niemand: ›Die Chance beträgt eins zu 999943, aber es könnte klappen.‹«
Sie blickten über die Stadt, während sich hinter ihren Stirnen grimmige Mathematik entfaltete.
»Daraus könnten sich ernste Schwierigkeiten für uns ergeben«, sagte Colon.
Karotte nahm seinen Notizblock zur Hand und kritzelte hingebungsvoll. Als sich seine beiden Kollegen nach dem Grund dafür erkundigten, erläuterte er seine Berechnungen in bezug auf den Flächeninhalt einer Drachenhaut und wies auf die Wahrscheinlichkeit dafür hin, daß ein Pfeil genau die richtige Stelle traf.
»Ich ziele, wohlgemerkt«, sagte Colon. »Ich
ziele.«
Nobby räusperte sich.
»In dem Fall ist die Chance sicher wesentlich kleiner als eins zu einer Million«, kommentierte Karotte. »Vielleicht beträgt sie gar nur eins zu hundert. Wenn der Drache langsam fliegt und eine besonderes große Ämpfindlichkeit hat, könnte es praktisch eine Gewißheit sein.«
Colons Lippen wölbten sich um folgende Worte:
Es ist eine Gewißheit, aber es könnte durchaus klappen.
Er schüttelte den Kopf. »Nee«, murmelte er.
»Also bleibt uns nur eins übrig«, sagte Nobby langsam. »Wir müssen die Wahrscheinlichkeit zu unseren Gunsten verändern…«
E ine kleine Mulde zeigte sich im Mörtel des mittleren Gitterstabs.
Nicht viel,
dachte Mumm.
Aber wenigstens ein Anfang.
»Möchtest du vielleicht, daß ich dir helfe?« fragte der Patrizier.
»Nein.«
»Wie du
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