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Wachen! Wachen!

Wachen! Wachen!

Titel: Wachen! Wachen! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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zwangsläufig von ihr gerettet. Andernfalls gäbe es überhaupt keine…« Er senkte die Stimme. »Ich meine, ist doch logisch. Wenn man sich nicht auf letzte verzweifelte Chancen verlassen könnte, gäbe es überhaupt keine… Nun, etwas anderes würden die Götter sicher nicht zulassen. Nein, bestimmt nicht.«
    Wie auf ein geheimes Zeichen hin drehten sich die drei Angehörigen der Nachtwache um und sahen zur viele tausend Meilen entfernten Mitte der Scheibenwelt. Jetzt trieben Rauch- und Dunstwolken durch die Luft, doch an einem klaren Tag konnte man Cori Celesti sehen, das Heim der Götter. Beziehungsweise ihre Residenz. Sie wohnten in Würdentracht, einem mit Stuckarbeiten geschmückten Walhall, und dort begegneten sie der Ewigkeit mit der Einstellung von Leuten, die nicht einmal wissen, was sie mit einem regnerischen Nachmittag anfangen sollen. Es hieß, sie spielten mit dem Schicksal der Menschen. Allerdings wußte niemand, mit welchem Spiel sie sich derzeit beschäftigten.
    Aber es gab natürlich Regeln. Alle wußten, daß es Regeln gab. Man konnte nur hoffen, daß sich die Götter daran hielten.
    »Es besteht überhaupt kein Zweifel daran, daß es klappen wird«, behauptete Colon. »Immerhin benutze ich meinen Glückspfeil. Du hast recht, Karotte. Letzte verzweifelte Chancen dürfen einen nicht im Stich lassen. Sonst ergäbe überhaupt nichts mehr einen Sinn. Dann könnte man genausogut sterben.«
    Nobby blickte erneut auf den Teich hinab. Colon zögerte kurz und trat dann an seine Seite. Beide hatten den grüblerischen Gesichtsausdruck von erfahrenen Männern, die wußten, daß man sich letztendlich auf Helden, Könige und sogar die Götter verlassen konnte. Doch jetzt gesellte sich eine weitere Erkenntnis hinzu: Schwerkraft und tiefes Wasser verdienten besonders Vertrauen.
    »Es wird gewiß nicht nötig«, sagte Colon überzeugt.
    »Immerhin haben wir deinen Glückspfeil«, erwiderte Nobby.
    »Genau.« Der Feldwebel nickte. »Aber nur aus Interesse: Wie hoch, äh, sind wir hier?«
    »Etwa neun Meter. Mehr oder weniger.«
    »Neun Meter.« Colon nickte erneut, diesmal etwas langsamer. »Dachte ich mir. Und der Teich ist tief, nicht wahr?«
    »Sehr tief, wie ich hörte.«
    »Oh, ich glaube dir aufs Wort. Sieht ziemlich schmutzig aus. Ich würde nicht gern hineinspringen.«
    Karotte klopfte ihm fröhlich auf die Schulter und hätte Colon dadurch fast über den Dachrand gestoßen. »Was ist los, Feldwebel? Willst du etwa ewig leben?«
    »Weiß nicht. Frag mich noch einmal in fünfhundert Jahren.«
    »Wir können wirklich von Glück sagen, daß wir deinen Glückspfeil haben!« sagte Karotte.
    »Hmm?« erwiderte Colon geistesabwesend. Seine Stimme klang aus einer Welt düsterer Tagträume.
    »Ich meine, ist doch toll, daß wir uns auf eine letzte verzweifelte Chance von eins zu einer Million verlassen können. Sonst wären wir echt in Schwierigkeiten.«
    »O ja«, murmelte Nobby kummervoll. »Wir sind wirklich gut dran.«

    D er Patrizier streckte sich aus, und zwei Ratten zogen ihm rasch ein Kissen unter den Kopf.
    »Dort draußen scheint’s drunter und drüber zu gehen«, sagte er.
    »Ja«, gestand Mumm bitter ein. »In der Tat. Aber hier droht dir absolut keine Gefahr.«
    Er zwängte ein weiteres Messer in einen Spalt zwischen den Steinen und belastete es vorsichtig mit seinem Gewicht, während Lord Vetinari interessiert zusah. Inzwischen befand sich Mumm fast zwei Meter über dem Boden und auf einer Höhe mit dem kleinen Fenster in der Wand.
    Entschlossen begann er damit, auf den Mörtel an den Gitterstäben einzuhacken.
    Der Patrizier beobachtete ihn eine Zeitlang und nahm dann ein Buch aus dem kleinen Regal in der Nähe. Da Ratten nicht lesen konnten, war Lord Vetinaris Sammlung ein wenig seltsam, aber er gehörte zu den Leuten, die neues Wissen nie ablehnten. Er schlug den Band
Spitzenarbeiten in den verschiedenen Epochen
auf und las einige Seiten.
    Nach einer Weile wischte er einige Mörtelbrocken beiseite und blickte auf.
    »Kommst du gut voran?« fragte er höflich.
    Mumm biß die Zähne zusammen und setzte seine Bemühungen fort. Jenseits des kleinen Fensters erstreckte sich ein schmutziger Hof, kaum heller als der Kerker. In einer Ecke lag ein Müllhaufen, und derzeit wirkte er außerordentlich attraktiv. Zumindest attraktiver als das Verlies. Ein ordentlicher Müllhaufen war den gegenwärtigen Ereignissen in Ankh-Morpork vorzuziehen. Vermutlich handelte es sich dabei um etwas Allegorisches oder

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