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Wachen! Wachen!

Wachen! Wachen!

Titel: Wachen! Wachen! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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er seelenvoll zu ihm auf und ließ etwas Ätzendes – das Brennen gab einen deutlichen Hinweis – auf die Knie des Hauptmanns tropfen. Außerdem stank er wie der Abfluß eines Säurebads.
    »Das ist Tautropfen Mabellin Klauenstoß der Erste«, stellte Ihre Ladyschaft vor. »Preisgekrönter Drache und Stammvater preisgekrönter Drachen. Ach, jetzt ist der arme Kerl alt und hat kein Feuer mehr. Er mag es, am Bauch gekratzt zu werden.«
    Mumm versuchte ebenso heimlich wie energisch, den alten Drachen vom Schoß zu schieben. Das Tier zwinkerte vorwurfsvoll, warf ihm einen anklagenden Blick aus rheumatischen Augen zu, wölbte andeutungsweise die Lippen und zeigte eine Palisade aus rußgeschwärzten Zähnen.
    »Stoß ihn einfach beiseite, wenn er dir auf die Nerven geht«, sagte Lady Käsedick gutgelaunt. »Nun, mit welchem Anliegen bist du gekommen?«
    »Ich habe mich gefragt, wie groß Sumpfdrachen werden«, erwiderte Mumm und trachtete danach, ein wenig zur Seite zu rutschen. Klauenstoß der Erste knurrte leise.
    »Du hast den ganzen weiten Weg zurückgelegt, um dich danach zu erkundigen? Nun… Wenn ich mich recht entsinne, war Munterherz Klauenstoß von Ankh vierzehn Daumen groß, von den Zehen bis zum Scheitel.«
    »Äh…«
    »Gut einen Meter«, fügte Ihre Ladyschaft hinzu.
    »Größer nicht?« brachte Mumm hoffnungsvoll hervor. Der alte Drache auf seinem Schoß schnarchte.
    »Lieber Himmel, nein. Munterherz war ein regelrechter Riese. Meistens werden die Biester kaum größer als acht Daumen.«
    Hauptmann Mumms Lippen bewegten sich, als er rasch rechnete. »Etwa sechzig Zentimeter?« fragte er kühn.
    »Ja. Damit meine ich natürlich die Raufer. Die Hennen sind ein wenig kleiner.«
    Mumm ließ nicht locker. »Ein Raufer ist ein männlicher Drache?«
    »Vorausgesetzt, er hat das zweite Lebensjahr hinter sich«, erklärte Lady Käsedick triumphierend. »Bis zum achten Monat ist er ein Kriecher, bis zum vierzehnten ein Hahn. Anschließend wird er zum Schnauzer…«
    Hauptmann Mumm hörte wie gebannt zu und aß den gräßlichen Kuchen, während sich der Informationsstrom vor einem hohen Damm der Verblüffung staute. Er erfuhr folgendes: Männchen kämpften mit gespucktem Feuer, doch während der Brutzeit atmeten nur die Hennen 14 Flammen, um die Eier auszubrüten – eine bemerkenswerte Fähigkeit, ermöglicht von der Verbrennung höchst komplexer Verdauungsgase; die Männchen beschränkten sich darauf, Feuerholz zu sammeln; eine Gruppe von Sumpfdrachen nannte man
anstrengenden Haufen
oder
Peinlichkeit;
Weibchen legten pro Jahr jeweils dreimal bis zu vier Eier, und die meisten davon wurden von unaufmerksamen Männchen zu Brei zertreten; Drachen beider Geschlechter beachteten sich kaum und zeigten nur Interesse an Feuerholz, abgesehen von einer anderen Verhaltensphase, die sich alle zwei Monate wiederholte und ihnen die Zielstrebigkeit einer Kreissäge verlieh.
    Mumm konnte es nicht verhindern, daß ihn Lady Käsedick mit dicker Schutzkleidung ausstattete – sie bestand aus Leder und war mit Stahlplatten verstärkt – und zum Pferch führte, zu jenem langen niedrigen Gebäude, in dem er das Heulen und Kreischen gehört hatte.
    Die Temperatur war schon schlimm genug, aber das Geruchspanorama erwies sich als noch weitaus schlimmer. Mumm taumelte ziellos von einem metallverschalten Zwinger zum anderen, während Ihre Ladyschaft die Namen der kleinen, birnenförmigen, rotäugigen und quiekenden Schrecken nannte: »Mondmurmel Herzogin Märzschmerz, die gerade schwanger ist.« Und: »Monddunst Klauenstoß II. der letztes Jahr in Pseudopolis als bester Zuchtdrachen ausgezeichnet wurde.« Grüne Flammenzungen leckten über Lady Käsedicks Knie.
    Viele Ställe waren mit Rosetten und Zertifikaten geschmückt.
    »Und dies hier ist Gutjunge Bündel Federstein von Quirm, fürchte ich«, sagte die Lady unerbittlich.
    Mumm blickte benommen über die angesengte Sperre und betrachtete das kleine Geschöpf, das mitten im Zwinger auf dem Boden lag. Es sah den übrigen Drachen so ähnlich wie Nobbs einem durchschnittlichen Menschen. Das Abstammungsschicksal hatte sich einen Scherz erlaubt und ihm Brauen gegeben, die fast ebenso groß waren wie die stummelförmigen Schwingen – man sah auf den ersten Blick, daß dieses Exemplar unmöglich fliegen konnte. Der Kopf schien von einem Ameisenbär zu stammen, und die Nasenöffnungen wirkten wie große Ansaugstutzen. Sie hatten sicher den gleichen Luftwiderstand wie zwei Fallschirme, wenn es

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