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Wachen! Wachen!

Wachen! Wachen!

Titel: Wachen! Wachen! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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Anwendung kamen. Andererseits: Der Bibliothekar gab sich auch keine besondere Mühe, die für Menschen bestimmten Vorschriften zu achten. Er gehörte zu jenen kleinen Anomalien, die man einfach hinnehmen mußte.
    »Hallo«, sagte Karotte unsicher. (»Nenn ihn nicht ›Kleiner‹ oder ›Junge‹. Das verärgert ihn immer. Er hat es auch nicht gern, wenn man ihm auf die Schulter klopft.«)
    »Ugh.«
    Der Bibliothekar hob einen langen, mit mehreren Gelenken ausgerüsteten Finger.
    »Wie bitte?«
    »Ugh.«
    »Was meinst du?«
    Der Bibliothekar rollte mit den Augen. Er fand es sonderbar, daß es angeblich intelligenten Hunden, Pferden und Delphinen nie schwerfiel, den Menschen wichtige Nachrichten zu übermitteln, sie zum Beispiel darauf hinzuweisen, daß sich drei Kinder in einer Höhle verirrt hatten oder daß der Zug über jene Gleise rollte, die zur eingestürzten Brücke führten. Ihn, den Bibliothekar, trennten nur einige wenige Chromosomen von einer Weste, aber trotzdem schaffte er es nicht, einen durchschnittlichen Menschen zu bewegen, aus dem Regen zu treten und ihm an einem warmen Kamin Gesellschaft zu leisten.
    »Ugh!«
drängte er und winkte.
    »Ich kann das Büro nicht verlassen«, sagte Karotte. »Befehl ist Befehl.«
    Die Oberlippe des Bibliothekars rollte wie eine Jalousie zurück.
    »Soll das ein Lächeln sein?« fragte Karotte. Der Bibliothekar schüttelte den Kopf.
    »Jemand hat ein Verbrechen begangen, nicht wahr?«
    »Ugh.«
    »Ein schlimmes Verbrechen?«
    »Ugh!«
    »So schlimm wie Mord?«
    »Iiek.«
    »Noch schlimmer als Mord?«
    »Iiek!«
Der Bibliothekar wankte zur Tür und sprang dort aufgeregt umher.
    Karotte schluckte. Befehle waren Befehle, ja, aber er konnte nicht zulassen, daß irgendein skrupelloser und durch und durch böser Bösewicht sein Unwesen trieb. Die Schurken dieser Stadt schreckten vor nichts zurück.
    Er schnallte den Brustharnisch an, schraubte den funkelnden Helm auf den Kopf und marschierte zur Tür.
    Dann erinnerte er sich an seine Verantwortung, kehrte zum Schreibtisch zurück, griff nach einem Zettel und schrieb mühsam:
Ich bekämpfe das Verbrechen. Bitte komm später noch einmal vorbei. Vielendank.
    Und
dann
trat Karotte auf die Straße, furchtlos und mit blitzblankem Brustharnisch.

    D er Oberste Größte Meister hob die Arme.
    »Brüder«, intonierte er, »laßt uns beginnen…«
    Es war so leicht. Es genügte, das große septische Reservoir aus Eifersucht, Zorn und Groll zu kanalisieren, das die Brüder in einem solchen Übermaß besaßen, ihren banalen Ärger zusammenzuballen, der weitaus mehr Kraft hatte als das pure Böse. Und dann brauchte man nur noch eine mentale Hand auszustrecken, um…
    … nach dem Ort zu tasten, wohin die Drachen verschwunden waren.

    H auptmann Mumm wurde am Arm gepackt und durch die Tür gezogen. Hinter ihm schloß sich der Zugang mit einem lauten Klicken.
    »Es geht um Lord Rückenfreud Munterschuppe Klauenstoß III. von Ankh«, sagte die Erscheinung. Sie trug eine geradezu erschreckend große und besonders dicke Rüstung. »Ich glaube, er kommt einfach nicht damit klar.«
    »Tatsächlich nicht?« erwiderte Mumm und wich zurück.
    »Man braucht zwei dazu.«
    »Zwei, ja«, hauchte Mumm. Seine Schulterblätter versuchten sich durch die Holzwand zu bohren.
    »Könntest du mir vielleicht einen Gefallen tun?« donnerte das Monstrum.
    »Was?«
    »Ach, stell dich doch nicht so an, Mann! Du brauchst ihm nur in die Luft zu helfen. Um den schwierigen Teil kümmere ich mich. Es ist grausam, ich weiß, aber wenn er es heute nacht nicht schafft, muß ich das Messer holen. Nur die Stärksten dürfen überleben und so. Tja.«
    Hauptmann Mumm riß sich zusammen. Offenbar hatte er es mit einer sexbesessenen potentiellen Mörderin zu tun, soweit sich trotz der seltsam unförmigen Kleidung eine Geschlechtsbestimmung vornehmen ließ. Wenn die Gestalt nicht weiblich war, so erlaubten Bemerkungen wie ›Um den schwierigen Teil kümmere ich mich‹ diverse Vorstellungen, die Mumm noch eine Zeitlang beschäftigen würden. Er wußte, daß die Reichen bei gewissen Dingen andere Angewohnheiten hatten, aber dies ging eindeutig zu weit.
    »Gnädige Frau«, sagte er kühl, »ich bin Offizier der Wache und muß dich darauf hinweisen, daß die von dir vorgeschlagene Verhaltensweise gegen die Gesetze der Stadt verstößt.«
Darüber hinaus auch gegen die der prüderen Götter,
fügte er in Gedanken hinzu. »Außerdem fordere ich dich hiermit auf, Seine Lordschaft

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