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Wachen! Wachen!

Wachen! Wachen!

Titel: Wachen! Wachen! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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den Rücken und brachte die aristokratische Selbstsicherheit der durch und durch Wohlerzogenen zum Ausdruck. Allein die Vokale genügten, um Teakholz zu schneiden.
    Mumms Vorfahren waren an solche Stimmen gewöhnt. Normalerweise erklangen sie hinter den Visieren dicker Rüstungen, die auf den Rücken von prächtigen Kriegsrössern saßen und darauf hinwiesen, es sei doch sicher eine gute Idee, nichwahr, den Feind anzugreifen und ihm eine ordentliche Lektion zu erteilen. Die Beine des Hauptmanns reagierten instinktiv und wollten Haltung annehmen.
    Prähistorische Männer hätten Lady Käsedick verehrt. Tatsächlich war es ihnen gelungen, schon vor Jahrtausenden lebensgroße Statuen von ihr aus dem Fels zu meißeln. Eine Wolke aus dichtem kastanienfarbenen Haar umgab ihren Kopf – eine Perücke, wie Mumm später erfuhr. Wer sich mit Drachen beschäftigte, neigte irgendwann dazu, sein Haar zu verlieren.
    Apropos Drachen: Einer hockte ihr auf der Schulter. Er hieß Klauenstoß Vincent Wunderkind von Quirm – Lady Käsedick nannte ihn schlicht und einfach Vinny –, und er schien einen erheblichen Beitrag zu den seltsam chemischen Gerüchen im Haus zu leisten. Der Duft klebte an allem fest. Auch an dem großen Stück Kuchen auf Mumms Teller.
    »Die, äh, Schulter… sieht, äh, nett aus«, sagte der Hauptmann in dem verzweifelten Versuch, ein Gespräch zu beginnen.
    »Unsinn«, erwiderte Ihre Ladyschaft. »Ich dressiere ihn nur, weil Schulterhocker den doppelten Preis erzielen.«
    Mumm murmelte, daß er gelegentlich Damen der Gesellschaft gesehen hatte, die kleine bunte Drachen auf ihren Schultern trugen, und er betonte, das sähe sehr, äh, nett aus.
    »Oh, es
klingt
nett«, entgegnete Lady Käsedick. »Ja, das schon. Aber die meisten Leute begreifen überhaupt nicht, welche Konsequenzen sich daraus ergeben. Sie lauten: Ruß, Verbrennungen, versengtes Haar und jede Menge Kot auf dem Rücken. Außerdem bohren sich die Krallen immer wieder in die Haut. Schließlich kommen die vorher so stolzen Besitzer zu dem Schluß, daß ihre kleinen Lieblinge zu groß werden und
unangenehm riechen.
Dann steht entweder Morporks Sonnenscheinheim für einsame Drachen auf dem Programm – oder der Fluß. Du weißt schon: Strick um den Hals, schwerer Stein am Strick. Ach, die armen Biester!« Lady Käsedick setzte sich und strich einen Rock glatt, dessen Stoff ausgereicht hätte, um Segel für eine kleine Flotte zu nähen. »Nun, du bist
Hauptmann,
nicht wahr?«
    Mumm war vollkommen ratlos. Längst verstorbene Käsedicks starrten aus verzierten Bildrahmen hoch an den dunklen Wänden auf ihn herab. Zwischen, an und unter den Porträts befanden sich die von Lady Käsedicks Ahnen benutzten Waffen – sie erweckten den Anschein, als seien sie ziemlich oft benutzt worden. Verbeulte Rüstungen bildeten lange Reihen, und Mumm bemerkte, daß viele von ihnen verdächtige Löcher aufwiesen. Die Decke bot sich als ein Durcheinander aus mottenzerfressenen Fahnen dar. Es war keine gerichtsmedizinische Untersuchung notwendig, um festzustellen, daß sich die Käsedicks nie vor einem Kampf gedrückt hatten.
    Mumm fand es sehr erstaunlich, daß Lady Käsedick friedlich genug sein konnte, um eine Tasse Tee zu trinken.
    »Meine Vorfahren«, erklärte sie und folgte dem hypnotisierten Blick des Wächters. »Weißt du, seit tausend Jahren ist kein Käsedick in seinem Bett gestorben.«
    »Ja, gnä Frau?«
    »Eine Art Familientradition.«
    »Ja, gnä Frau.«
    »Nun,
einige
Käsedicks – sogar ziemlich viele, um ehrlich zu sein – sind in
fremden
Betten gestorben.«
    Mumm verschluckte sich fast. »Ja, gnä Frau«, sagte er.
    »Hauptmann ist ja so ein interessanter Rang.« Lady Käsedick bedachte Mumm mit einem strahlenden Lächeln. »Ich meine, Oberste sind einfach langweilig und Majore viel zu aufgeblasen und arrogant. Aber Hauptleute haben immer irgend etwas
Gefährliches
an sich. Was wolltest du mir zeigen?«
    Mumm hielt sein Paket wie einen Keuschheitsgürtel.
    »Ich habe mich gefragt«, begann er, »wie groß ein Sumpfdrachen, äh…« Er unterbrach sich, als er spürte, daß seinen unteren Körperregionen etwas Schreckliches zustieß.
    Lady Käsedick beugte sich vor, um das Problem in Augenschein zu nehmen. »Oh, beachte ihn gar nicht«, sagte sie fröhlich. »Schlag ihn mit einem Kissen, wenn er dich stört.«
    Ein kleiner älterer Drache war unter dem Stuhl hervorgekrochen und hatte die Schnauze in Mumms Schoß gelegt. Aus großen braunen Augen blickte

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